Maximus63 hat geschrieben:Vergangenheitsbewältigungsfilme. Aufarbeitungsfilme. Verdrängungsfilme. Sozialkritische, zwischenmenschliche Beziehungsfilme. Sinnsuchende Filme über Sinnsuchende. Die Leereerfassungsfilme.
Hm, ich weiß nicht. Das Problem der deutschen Filme ist vielleicht nicht so sehr, dass sie Problemfilme sind. Das Problem könnte sein, dass sie keine Lust machen auf Kino. Dabei gehe ich von mir selbst aus. Noch der deprimierendste Filmtitel kann mich nicht davon abhalten, einen Film gut zu finden, wenn er es krachen lässt in der lustvollen Anwendung der Filmkünste.Yaso hat geschrieben:Damit beschreibst du das Grundproblem deutscher Filme sehr treffend.
Die Stummfilmschöpfer, Rainer Werner Fassbinder und der Produzent Eichinger hatten alle einen gewissen Spieltrieb gemeinsam. Sie wollten Spaß.
Augenscheinlich sind Spieltrieb und Spaß mit der deutschen Mentalität grundsätzlich schwer zu vereinbaren. Ich war letzte Woche bei einer Einweihung zu einer Siedlung mit Sozialwohnungen. In der Mitte eine ziemlich große Grünanlage. Im Abstand von etwa 7 Metern hatte man Findlinge aufgestellt. Verhindern effektiv die Nutzung der Fläche zum Bolzen (und eigentlich zu allem). Schilder "Betreten des Rasens verboten" sind politisch unkorrekt. Stattdessen wird nun der Rasen vermint.
Wichtige Dinge - und zumal große Kulturleistungen - bemessen sich nicht nach dem Grad ihrer Zweckdienlichkeit. In vielen tausend Jahren werden die Archäologen die Sozialbau-Findlinge vielleicht mit den kultischen Hinkelsteinen von Stonehenge vergleichen. Dabei ging es ursprünglich darum, dass nicht der Hartz IV - Nachwuchs die Rasendecke zertrampelt. Im Land der kleinen Geister.
Ein als deutscher Film erkennbarer, der aus dieser Geistesstarre ausbricht, müsste mit anarchischer Lust zunächst das deutsche Wesen attackieren. Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung.
Könnte es ein solcher Film durch das Minenfeld der Fördergremien schaffen?
Oh ja. Spielend, im wahrsten Sinne des Wortes. Die FFA ist so indifferent wie der Türhüter in Kafkas Vor dem Gesetz. Das Problem des deutschen Films ist nicht die Unterdrückung von Kreativität. Es ist der vorauseilende Gehörsam, die mutmaßlich gewünschte Selbstkastration. Diktatur von unten.
Bei Tarantino habe ich den Eindruck, dass ein gewisser Hang zur Albernheit verhindert, dass seine Filme nicht nur beliebt und erfolgreich, sondern wirklich gut sind. Er ist klüger und talentierter, als seine Filme vermuten lassen. Mehr Spaß als an dem Film selbst (als Filmvorführer liebte ich natürlich diese Zelluloid-Explosivität) hatte ich anschließend im Foyer, als wir über den Film redeten.Yaso hat geschrieben:INGLOURIOUS BASTERDS wurde von deutschen Filmförderungen gefördert, die Geschichte spielt in Deutschland, behandelt einen Teil deutscher Geschichte, ist zum Großteil mit deutschen Schauspielern besetzt und die Sprache ist zu großen Teilen auf deutsch. Der wichtigste Grund, warum ich ihn hier aufgenommen habe: Er hält dem deutschen Gegenwartskino den Spiegel vor.
Tarantino, seien wir ehrlich, beutet den Kult aus, mit dem er selbst Kino erlebt (vor allem das so genannte "Ausbeuterkino" - exploitation films). Er tut dies auf eine überwiegend sehr intelligente Art. Und vor allem: Mit Spaß.
Was meiner Meinung nach überhaupt nicht mehr funktioniert: Als Deutscher oder auch als Ami den Kult um Tarantino auszubeuten. Das ist nicht mehr originell ("Im Schmerz geboren").