So, jetzt mal ein Praxisresümee der Kamera aus meiner Sicht, das ich bewusst für Leute schreibe, die nicht von anderen Blackmagic-Kameras kommen, sondern einen Umstieg von DSLRs bzw. den Panasonic GH-Kameras erwägen. Zu diesem Zweck habe ich ein Vergleichs-Minitestvideo gedreht (obwohl ich Testvideos hasse; Details zum Video auf der Vimeo-Seite):
Vorweg: Das Bild der Pocket ist, wenn man sich nicht gerade white orbs einfängt, so viel schöner und flexibler in der Nachbearbeitung, dass ich persönlich nicht mehr zurück will. Dabei ist das, was im Video oben zu sehen, wegen des GH2-Vergleichs noch bewusst Amateurvideo-knallig farbkorrigiert. Das Video der Pocket hat noch viel mehr Reserven in Dynamik und Zeichnung. Allerdings sehe ich bei der GH2, trotz gegenteiliger Ergebnisse des Slashcam-Labortests, mehr Detailauflösung (was angesichts des herunterskalierten 16MP-Bilds versus debayerten 2MP auch nicht verwundert), die nicht nur an der künstlichen Schärfe liegt.
Die Pocket ist aber kein GH2-Ersatz, auch keine bessere oder schlechtere Kamera, sondern ein Gerät in einer anderen Kategorie. Was für die eine Anwendergruppe Vorteile sind, dürften für andere Nachteile sein - genau so, wie z.B. im Vergleich eines PKW mit einem Lastwagen. Die Pocket ist ein Unimog, der äußerlich wie ein VW Golf aussieht. Sitzt man drin und will fahren, ist sie ein Mini-Unimog.
Einschränkungen in der Praxis, neben den aus anderen Tests und Diskussion bekannten wie hoher Batterieverbrauch und white orbs bei überbelichteten Spitzlichtern:
1) ND-Filter vor der Linse sind unumgänglich, wegen der nativen 800 ISO der Kamera.
2) Schärfe ziehen ist schwieriger als z.B. bei der GH2: Weil der Sensor geringer auflöst, vergrößert auch die elektronische Fokuslupe das Bild nur gering. Focus peaking gibt es zwar, aber ich finde es prinzipiell zu ungenau für wirklich präzises Scharfstellen, und es versagt sowieso bei Motiven mit weichen Kanten. Und das nicht sonderlich scharfe Display und der Mangel eines eingebauten elektronischen Suchers tut sein übrigens dazu. (Hinzu kommt als Eigenheit der Kamera, dass die Taste für die Fokuslupe doppelt belegt ist mit einer Eingabemaske für Aufnahme-Metadaten; einfaches Antippen öffnet die Metadatenmaske [die sich bei der Pocket mangels Touchscreen sowieso kaum vernünftig verwenden lässt], doppeltes Antippen die Fokuslupe. Wenn der Doppelklick misslingt, landet man in der Metadaten-Maske, was oft genug passiert.)
3) Belichten ist schwierig. Die Kamera hat, wie auch die größeren Blackmagic Cinema-Kameras, eine "expose to the right"-Strategie, d.h. man belichtet maximal und senkt in der Post, wenn nötig, ab. So funktioniert der "Iris"-Knopf bei elektronischen MFT-Objektiven, und so funktionieren auch die Zebras, die nur clippende Spitzlichter anzeigen, aber keine Unterbelichtung. Das ist ideal für raw, nicht aber für ProRes und auch nicht fürs white orb-Problem, weil es Szenen gibt, in denen man einige Spitzlichter clippen lassen muss, damit der Rest des Bilds nicht in Unterbelichtung absäuft - auch bei 13 Blenden Dynamik.
Es gibt aber auch kein Histogramm, weshalb man nie weiß, welche Bildteile möglicherweise abgesoffen sind. Zumindest am Kameradisplay ist es unmöglich, eine gute Balance zwischen nicht-absaufenden Schatten und nicht-ausfressenden Spitzlichtern zu finden. Einzige Lösung zur Zeit (auch für bessere Schärfekontrolle): externen Videomonitor, der Histogramme und Unterbelichtungs-Zebras anzeigt, via HDMI anschließen. Aber dann landet man langsam aber sicher bei einem ähnlich großen Kameraaufbau wie bei den größeren Blackmagic-Kameras, und der Unauffälligkeitsfaktor der kleinen Kamera ist dahin.
4) Weissabgleich ist schwieriger. Nicht wirklich, wenn man vom analogen Fotografieren oder Schmalfilmen kommt und die Kelvin-Temperaturen von Tages- und Kunstlicht(film) noch gut im Kopf hat. Hier bietet die Pocket - genau wie die anderen Blackmagic-Kameras - für eine Digitalkamera unflexible feste Werte von 3200K, 4500K, 5000K, 5600K, 6500K und 7500K an, aber keine Grün/Magenta-Farbstichkorrektur, und sowieso keine Möglichkeit, den Weissabgleich an einem Motiv individuell einzustellen. Hier sieht man, dass die BM-Firmware für raw-Aufnahmen gedacht ist, bei denen der Weissabgleich eigentlich nur fürs Kameradisplay gebraucht wird. Für ProRes-Aufnahmen allerdings ist das eine deutliche Einschränkung.
Es ist (zumindest bei ProRes-run&gun) auch extrem unpraktisch, dass der Weissabgleich nur umständlich im Systemmenü einstellbar ist, was insgesamt mindestens sieben(!) Tastenklicks erfordert. Hier sieht man, dass die Bedienung eigentlich für einen Touchscreen ausgelegt ist, den die Kamera nicht hat. Was ihr aber wirklich fehlt, ist ein multifunktionelles Einstellungsrad, für den Weissabgleich, aber auch zur schnellen Veränderung von ISO, shutter angle (die auch nur mit mindestens sieben bzw. sechs Tastenklicks einstellbar sind) und für die Blendensteuerung elektronischer Objektive. Es fragt sich auch, wie schnell die Menütasten durch diesen häufig nötigen Gebrauch verschlissen werden.
5) Objektivauswahl ist entweder schwieriger oder gerade nicht. Mehr meiner alten 16mm-Objektive funktionieren abschattungsfrei an der Pocket als erwartet, darunter auch ein Kern Yvar 15mm/2.8, das an der Kamera noch kleiner als ein Pancake ist - siehe das Foto unten.
Allerdings will man an der Pocket durchaus moderne, scharf auflösende Objektive - im Gegensatz zur GH2, an der Vintage-Linsen ein erprobtes Kampfmittel gegen das überschärfte, künstlich wirkende Videobild waren, und auch eine Hardware-Form des color gradings... Da man Pocket-Material vergleichsweise unbegrenzt in der Post bearbeiten und graden kann, will man möglichst neutrales, ungefiltertes Ausgangsmaterial. Das SLR Magic 12mm/1.6 ist ab f2.8 scharf und bietet eine für den S16-Sensor praktische, leicht weitwinklige Brennweite. Auch Größe und Gewicht halten sich in erträglichen Grenzen. Brennweiten über 14mm sind nur schwierig zu stabilisieren, wenn man keine großen Rigs verwendet.
Systemobjektive von Panasonic und Olympus - zumindest alle Zooms und alle Brennweiten unter 45mm - scheiden aus, (a) wegen der nötigen Software-Entzerrung, -Entvignettierung und dem nötigen Rausrechnen violetter Farbsäume. (Die von der GH2 weggerechneten Bildfehler des 14-140mm-Zooms sind gut in der Pocket-Hälfte des Testvideos zu sehen.) Natürlich nur, wenn gute Bildqualität die Priorität hat. Damit scheiden letztlich auch alle optisch stabilisierten Panasonic-Objektive aus; es sei denn, man lebt mit deren Abbildungsfehlern z.B. bei B-Roll-, Crash- und Actioncam-Einsätzen.
Die Kamera hat weniger Grip als z.B. die GH2 oder eine Canon-DSLR und produziert Zitterbilder, wenn man nur aus der Hand dreht, auch bei 12-14mm Brennweite. Ein Griff/Käfig/Rig/Bruststativ ist genau so unumgänglich wie der ND-Filter.
6) Das Bild, das aus der Kamera kommt, braucht Nachbearbeitung: Color grading, Belichtungskorrektur (Mittenabsenkung vieler ETTR-Aufnahmen), in der Regel auch Nachschärfung. Wer mit kleineren Videoschnittprogrammen unterwegs ist - allem unterhalb Final Cut, Premiere, Avid, ggfs. Vegas Pro: sinnlos, die Pocket überhaupt anzuschaffen. Dies ist eine Kamera, die als Vorschaltglied einer Postproduction-Kette gedacht ist.
Wer eine Kamera braucht, die direkt von der Speicherkarte visuell gebrauchsfertige Bilder liefert, ist in dieser Preisklasse mit den Panasonic G/GH-Kameras besser bedient.
- Die Pocket Cinema Camera ist, entgegen
Blackmagics Produktwerbung ("Blackmagic Pocket Cinema Camera is everything you need to bring cinematic film look shooting to the most difficult and remote locations, perfect for documentaries, independent films, photo journalism, music festivals, ENG, protest marches and even war zones"), eine Mini- und Sparversion der größeren Blackmagic-Kameras. Wegen aller oben genannten Faktoren, aber auch wegen des white orb-Problems, funktioniert sie am besten unter kontrollierten Aufnahmebedingungen. Sie ist für run & gun-/ENG-Anwendungen stark eingeschränkt, anders als die Herstellerwerbung suggeriert.
Das liegt zum größten Teil am Bedienkonzept: dem Mangel, Grundparameter der Kamera schnell über Einstellknöpfe, -räder oder wenigstens Kurzmenüs einstellen zu können und einer Kamera-Firmware, die für die Prioritäten der größeren Blackmagics entwickelt wurde. Da Blackmagic bei seinen anderen Kameras bisher wenig an der Firmware getan hat, sollte man lieber nicht auf tiefgreifende Verbesserungen spekulieren.
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