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Märchen einmal andersrum



Der Joker unter den Foren -- für alles, was mehrere Kategorien gleichzeitig betrifft, oder in keine paßt
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Jan Blöd

Märchen einmal andersrum

Beitrag von Jan Blöd »

Ich habe mir einige alte Märchenfilme in den letzten Tagen angesehen, in der Hoffnung auf Inspiration. Und, vielleicht kam sie? Mir fiel auf, dass Frauen/Mädchen meist das zu rettende Opfer (Dornröschen), oder das mehr oder weniger nette Beiwerk (Hänsel und Gretel) sind, die am Ende aus der Weibschenrolle ausbrechen, und aktiv werden. Selten waren Frauen/Mädchen von Anfang an aktiv. Und wenn, dann nur, um Brüder/Väter oder Liebsten zu retten. Auch das Böse wurde meist nur böse dargestellt.
Was aber wäre, wenn diese Figuren anders wären? Wenn der Teufel der Held wäre, oder Gretel von Beginn an Vater und Bruder zeigt,m wo es lang geht? Und die Stiefmutter kein "böses Weib", keine Xantippe, sondern eine Frau wäre, die den Männern das fürchten beibringt, die sie unterdrücken wollen?
Versteht Ihr, was ich meine? Ein Märchen, mit den bekannten Zutaten neu schreiben?



wp
Beiträge: 807

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von wp »

"Shreck" ist ein etwas aktualisiertes Update.

Oder geh auf die Urfassung der Märchen zurück, bevot sie von den reaktionären Geb. Grimm völlig verunstaltet wurden, etwa wie Anderssons Streichholzverkäuferin vs. "Goldtaler"-Kytsch.



dosaris
Beiträge: 1701

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von dosaris »

> Ein Märchen, mit den bekannten Zutaten neu schreiben?

ja,
mach mal.
Klingt interessant.

Es ist aber sicher nicht einfach, da was brauchbares zu entwickeln:

greift man bestehende Rollenklischees auf und dreht nur die Attribute um,
dann verdeutlicht man wohl eher diese Klischees, die von vielen kaúm
noch wahrgenommen wurden. Aber es kommt nicht unbedingt was
neues originelles dabei heraus. Es kann auch dabei herauskommen,
wie öde die Klischees doch eigentlich sind, der Schuss kann dann leicht
nach hinten losgehen.

Besser wäre wahrscheinlich, die Klischee-basierte Erwartungshaltung
zunächst zu bedienen und kurz vor dem crash in eine unerwartete
Richtung abzubiegen.



dienstag_01
Beiträge: 13475

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von dienstag_01 »

Ganz nah am Märchen ist das Muster der Heldenreise. Nichts ist voller davon als das Kino, auch mit weiblichen HauptHELDEN ;)



Jörg
Beiträge: 10349

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Jörg »

Ganz nah am Märchen ist das Muster der Heldenreise.
wo wäre Harry Potter ohne "örmeiny"???



Jan Blöd

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Jan Blöd »

Jörg hat geschrieben:
Ganz nah am Märchen ist das Muster der Heldenreise.
wo wäre Harry Potter ohne "örmeiny"???
Das Problem bei den meisten Märchen ist, dass alles nach Schema F abläuft: Die Jungs sind die Starken, die Mädels die Schwachen, die es zu retten und zu beschützen gilt. Es gibt nur wenige Märchen, wo ein Mädchen/eine Frau, von Beginn an stark ist, meist nicht aus sich heraus, sondern weil Bruder, Vater, Liebster in Gefahr ist.
Bezüglich Hermine/Hermione: Die Autorin, J.K. Rowling, hat ihre Figur als kluge, manchmal besserwisserische Person angelegt, der es nicht an Mut mangelt, aber nicht an körperlichem Mut, im Gegensatz zu Harry oder Ron. Somit hat die Autorin die klassische Frauenrolle erweitert, aber nicht durchbrochen. Das, was ich vorhabe, ist jedoch ein vollkommener Bruch mit Geschlechtsrollen. Jungs werden als feige oder schwach dargestellt, Mädchen/ Frauen als stark und selbstbewusst, die die Jungs nicht brauchen, um sich zu definieren.



Starshine Pictures
Beiträge: 2658

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Starshine Pictures »

In jedem guten Actionfilm gibt es eine sexy Südamerikanerin im Tanktop und Pilotenbrille die mit der dicksten Wumme alle aus der Scheisse ballert.


Bild
*Aktuell in Vaterschaftspause*



Axel
Beiträge: 16299

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Axel »

Jan Blöd hat geschrieben:Das Problem bei den meisten Märchen ist, dass alles nach Schema F abläuft: Die Jungs sind die Starken, die Mädels die Schwachen, die es zu retten und zu beschützen gilt. Es gibt nur wenige Märchen, wo ein Mädchen/eine Frau, von Beginn an stark ist, meist nicht aus sich heraus, sondern weil Bruder, Vater, Liebster in Gefahr ist.
Erzähltechnisch gesehen ist es in Märchen aber besonders einfach, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. "Es war einmal ein Mädchen, das war so stark und selbstbewusst, dass es keine Männer brauchte, um es zu beschützen ..."

Die Exposition eines Märchens ist immer auch ein Appell an die Vorstellungskraft des Zuhörers. Wenn es hieße "Es war einmal eine Frau, die ihrem Manne treu war, brav den Haushalt führte und die Kinder erzog ...";- dann erwartet keiner ernsthaft, dass es so weiter geht: "... und alles lief glatt, die Rente reichte, und wenn sie nicht gestorben ist, lebt sie wohl noch heute (im Pflegeheim Waldesruh, abgeschossen mit Haldol) ..."

Bei deiner Beschreibung musste ich spontan an die Superheldin Jessica Jones auf Netflix denken, bei der die Rollenbeschreibung mehrere Folgen benötigt. Eine attraktive, aber gebrochene Frau, die sich sozial abkapselt, den schlecht beleumundeten "Beruf" einer Privatdetektivin ausübt (ein kurzer Akkord, der die gesamte hardboiled/Noir - Serie der Krimi-Groschenromane beschwört), und zwar spezifisch den einer Ehebruch-Beweis-Fotografin (mit zynischen Kommentaren zur Rentabilität der Ehe für sie) mit klar erkennbar voyeuristischen Neigungen. Irgend etwas versucht sie durch exzessiven Alkoholmissbrauch zu betäuben. Die minutiöse Zeichnung einer starken Persönlichkeit außerhalb (aber vor der Kontrastfolie) gängiger Klischees verlangt dem Zuschauer einiges ab, aber im Grunde sehnt sich jeder danach, so gefordert zu werden.

Das Konzept der Heldenreise beinhaltet auch, dass es moralische Pole gibt, die sich mehr oder weniger auf Gut gegen Böse zusammenkürzen lassen. Solche Geschichten sind nicht einfach nur moralisch, sie sind affirmativ (= die bestehenden Verhältnisse gutheißend, reaktionär). Märchen sind, wie Witze, dabei weitaus flexibler. Vom Witz sagte Freud, dass das Lachen eine Zustimmung zu etwas Unerwartetem bedeute. Es findet am Schluss entweder eine Demaskierung oder ein Regelbruch statt. Im Märchen wird das unwahrscheinlich Gute und Schöne durch das phantastische und faszinierende Böse bedroht, dessen Bestrafung zwar formal obligatorisch ist, das aber im Grunde nur der jung'sche Schatten der braven Angepasstheit ist. Ohne die Schurken fänden wir Geschichten Scheiße.

Nachdem wir also gesehen haben, wie die mit unwahrscheinlichen körperlichen Kräften ausgestattete Jessica Jones mickrige Machos, eigentlich arme Würstchen, seufzend ob der öden Plackerei, gewohnheitsmäßig zur Strecke bringt (ausführliche Exposition), beginnen wir uns zu wundern, wer der eigentliche Gegner sein kann (Spiel mit den Erwartungen). Der wird ebenfalls über mehrere Folgen eingeführt. Menschen handeln immer wieder gegen ihre eigenen Überzeugungen, begehen Mord oder Selbstmord. Weil es einen Mann gibt, der ihre Gedanken kontrolliert, ihren Willen bricht. Seine Superkraft ist ein Super-Chauvinismus. Als der die Mahnung des sterbenden Vaters von Peter Parker von der "großen Verantwortung" hörte, muss er mit der Schulter gezuckt haben.

Der Sieg des Guten, bzw. die Überwindung des Gegners, ist für den Rezipienten doch vorhersehbar, also eigentlich die Antiklimax. Es ist die immer wieder verlängerte Zuspitzung des Konflikts unter Verstärkung der Faszination für den Schatten, der die Geschichte genießbar macht. Das sind keine Formalien wie in der Heldenreise, sondern Inhalte, inner-seelische Konflikte. Wäre die (faschomäßige) Triumphfeier am Ende von Star Wars IV tatsächlich alles gewesen, hätte der Triumph sehr schal geschmeckt. Man hätte den Erguss mit dem Höhepunkt verwechselt - um den Spamfilter zu vermeiden ;-)

Anders gesagt, ein Märchen macht seinen Punkt in den ersten Zeilen. Was danach kommt ist ein lust- und spannungsbetontes Teasing. Die letzten Zeilen, die das Ganze formal abrunden, interessieren eigentlich keinen. Und letzten Endes sind sie das, was man dem Märchen am wenigsten abkauft. Und wenn sie nicht gestorben sind fällt in China ein Sack Reis um.



dosaris
Beiträge: 1701

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von dosaris »

Jan Blöd hat geschrieben: Ein Märchen, mit den bekannten Zutaten neu schreiben?
eine recht gute Umsetzung dieser Idee finde ich gelungen in
Die Rotkäppchen-Verschwörung (USA 2005)



Frank B.
Beiträge: 9318

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Frank B. »

Jan Blöd hat geschrieben:Ich habe mir einige alte Märchenfilme in den letzten Tagen angesehen, in der Hoffnung auf Inspiration. Und, vielleicht kam sie? Mir fiel auf, dass Frauen/Mädchen meist das zu rettende Opfer (Dornröschen), oder das mehr oder weniger nette Beiwerk (Hänsel und Gretel) sind, die am Ende aus der Weibschenrolle ausbrechen, und aktiv werden. Selten waren Frauen/Mädchen von Anfang an aktiv. Und wenn, dann nur, um Brüder/Väter oder Liebsten zu retten. Auch das Böse wurde meist nur böse dargestellt.
Was aber wäre, wenn diese Figuren anders wären? Wenn der Teufel der Held wäre, oder Gretel von Beginn an Vater und Bruder zeigt,m wo es lang geht? Und die Stiefmutter kein "böses Weib", keine Xantippe, sondern eine Frau wäre, die den Männern das fürchten beibringt, die sie unterdrücken wollen?
Versteht Ihr, was ich meine? Ein Märchen, mit den bekannten Zutaten neu schreiben?
Ich bin jetzt nicht der Fachmann auf diesem Gebiet, habe keine Literatur studiert oder sowas, aber ich beschäftige mich beruflich sehr mit dem Erzählen und auch mit Kindern. Ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder Märchen brauchen und zwar in dieser klaren Rollenverteilung - gut, böse; stark, schwach, Mann, Frau... Diese Stereotypen helfen dem Kind eine Ordnung im Leben zu bekommen, sozusagen eine einfache Wertevermittlung. Das Schubkastendenken, das viele so vehement ablehnen, ist nach meiner Ansicht enorm wichtig im Leben von uns Menschen. Es hilft uns zu überleben. Jeder hat das, auch die, die es verurteilen. Es kommt aber natürlich auch ein wenig darauf an, wie fest man darin verharrt und wie eng diese Schubkästen interpretiert werden. Erst im späteren Leben können diese Werte ( und Schubkästen) hinterfragt werden. Ist das Hässliche immer böse? Ist das Schöne gut? Märchen und Geschichten (Märchen heißt übersetzt Geschichtchen bzw. kleine Botschaft) aller Art sollten Botschaften vermitteln, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind. So geht es in den Märchen weniger darum, dass Männer oder Frauenrollen definiert werden. Die Helden sind keineswegs nur Männer. Wenn ich z.B. an dein angesprochenes Märchen von Hänsel und Gretel denke, so ist das schon eine Emanzipationsgeschichte, bei der Gretel die deutlich stärkere Rolle hat als Hänsel. Bis hin zur Vernichtung des Bösen (Hexe), während Hänsel passiv bleiben muss, gefangen im Käfig. Die Eltern sind hier in einer ungemein schlechten Rolle, da sie ihre Kinder aussetzen. Das sind Gedanken, die Kinder in größte Aufregung versetzen und sie in ihren Grundfesten erschüttern. Bei Rotkäppchen zum Beispiel bekommt die Mutter die Führungsrolle, die dem Kind die lebenswichtige Botschaft mitgibt, auf dem (richtigen) Weg zu bleiben. Den Weg, den die Eltern vorgeben zu verlassen, ist lebensgefährlich, so die Hauptbotschaft des Märchens. Dann aber auch wieder Emanzipation. Das Loslösen vom vorgegebenen Weg, trotz Gefahren und das Überstehen von Krisen und gefährlichen Situationen, durch eigene Erkenntnis aber auch durch Hilfe von Leuten, die sich auskennen und mir zur Seite stehen.
Ich würde diese alten Volksmärchen niemals auf die Rollenverteilung von Mann und Frau reduzieren, wobei wir natürlich davon ausgehen müssen, dass diese noch zur Zeit der Abfassung durch die Gebrüder Grimm, viel stärker festgelegt waren als zu unserer Zeit.
Bei den Kunstmärchen sieht die Welt auch schon wieder anders aus. Da kommen dann auch kompliziertere Zusammenhänge des menschlichen Seins zum Tragen.
Das Schöne an Märchen ist, dass sie in vielen Fällen für Kinder und Erwachsene gleichermaßen geeignet sind, wobei es aber auch Märchen gibt, die für kleinere Kinder nicht so geeignet sind. Allerdings kommt mir diese Unterscheidung auch inzwischen lächerlich vor, wenn ich sehe, womit sich Kinder heute schon im jüngeren Alter auseinandersetzen müssen. Meines Erachtens, und das ist erstmal nur eine These, geht unsere heutige Zeit deutlich gewaltsamer mit Kinderseelen um, als es damals der Fall war. Wir leben heute in einer optischen Bilderwelt, die es damals so nicht gab. Märchen wurden erzählt und durch die kognitiven Möglichkeiten der Kinder gefiltert. Heute wird alles in allgemeine Bilder umgesetzt. Das Biest sieht eben bei fast jedem Kind aus wie das Biest im Disneyfilm. Heute wird in jedem Märchen auch gleich kleinen Kindern die (vorgefasste) Erkenntnis mitgegeben, dass Hässliches gut und Schönes böse ist, wobei es das, etwas dezenter, auch schon in den Volksmärchen und Kunstmärchen gab. Die Aufgabe, das selbst im Leben zu erfahren, wird Kindern genommen. Blut strömt schon im Tagesprogramm auf den Fernsehern in den Kinderzimmern und sexuelle Ausrichtungen werden schon im frühkindlichen Alter den Kindern vermittelt (dies ist keinesfalls in der Psychologie so unumstritten, wie es oft dargestellt wird).
Märchen gibt es auch in anderen Kulturen und sogar in der Bibel. Mir wird immer wieder mal gesagt, dass Märchen nicht wahr wären bzw. die Bibel wäre ein Märchenbuch und deshalb nicht wahr. Was für ein Irrtum?! Gute Märchen sind immer wahr. Sie haben tief innewohnende Wahrheiten, die sie verborgen an die Leser und Hörer heranführen, der sie sich erschließen muss. Märchen sind kleine Rechenaufgaben der Psyche sozusagen.

Im Grunde ist heute jeder James Bond Film ein Märchen, jeder Spielfilm überhaupt. Er erzählt uns eine Geschichte (man achte hier mal auf die Geschlechterrollen), manchmal in irrste Welten verschoben aber nahezu alle nach der Struktur der Heldenreise, die sich im Grunde auch in Märchen wiederfindet. Wenn das Ganze dann noch eine Botschaft inneträgt, die uns zum Nachdenken animiert, dann empfinden wir den Film meist als gelungener als wenn es nur um Geballer und Leichenberge geht. Manchmal sind die Effekte stärker als die Botschaften. Dann wird der Film von intelligenten Menschen als Zumutung empfunden. Außer vielleicht denen, die ihn nur im der Effekte willen sehen.
Die Botschaft sollte dabei auch nicht oberlehrerhaft und aufgezwungen kommen. Damit wird sie unattraktiv für den Zuhörer, der dann eher eine ablehnende Haltung einnimmt, es sei denn, er ist gemainstreamt. Davon gibts auch genug.

Zu den Geschlechterrollen der alten Kindermärchen würde ich mir wenig Gedanken machen. Eher zu den heute uns dargebotenen Auslegungen. Warum muss die sich freiballernde Frau denn Riesentitten haben? Tja, möge jeder selbst überlegen. ;)



DWUA
Beiträge: 2126

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von DWUA »

Nur ein Beispiel von unsäglich vielen möglichen.
Diesmal:
Aus Johannes und Margarete (einst Hänsel und Gretel) sind schon längst Hans und Grete geworden (Joe and May).
Mehr aber auch nicht, weil immer das gleiche Prinzip gilt:
"...verirrten sich im Wald..."
Also rein in's Knusperhäuschen!
;))

www.youtube.com/watch?v=L4Bjb1lP-Cc

oder

www.youtube.com/watch?v=vjPxHKaSjhg



Benutzername
Beiträge: 2535

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Benutzername »

Märchen (Diminutiv zu mittelhochdeutsch maere = „Kunde, Bericht, Nachricht“) sind Prosatexte, die von wundersamen Begebenheiten erzählen. ... Charakteristisch für Märchen ist unter anderem das Erscheinen phantastischer Elemente in Form von sprechenden und wie Menschen handelnden Tieren, von Zaubereien mit Hilfe von Hexen oder Zauberern, von Riesen und Zwergen, Geistern und Fabeltieren (Einhorn, Drache usw.); gleichzeitig tragen viele Märchen sozialrealistische oder sozialutopische Züge und sagen viel über die gesellschaftlichen Bedingungen, z. B. über Herrschaft und Knechtschaft, Armut und Hunger oder auch Familienstrukturen zur Zeit ihrer Entstehung, Umformung oder schriftlichen Fixierung aus.

quelle: wikipedia.org/wiki/Märchen

man kann es gerne neu erfinden, aber dann sind es keine wirklichen märchen mehr. märchen funktionieren so gut, weil sie nun mal so sind, wie sie sind. du kannst auch gerne die gramatik neu erfinden, aber dann ist es nicht mehr die grammatik.
Ihr seht mich vielleicht, ´nen toten Rottweiler Gassi führen, im Park, ohne Kopf, aber mit Nietenhalsband, wie ich ihn anschreie, weil das Mistvieh nicht zu bellen aufhören will.



DWUA
Beiträge: 2126

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von DWUA »

Benutzername hat geschrieben: man kann es gerne neu erfinden, aber dann sind es keine wirklichen märchen mehr.
Da hast du Recht.
Die "wirklichen" entstehen nämlich aus der alltäglichen Normalität.

Als kleines Dankeschön extra für dich und an Frank B. eine Möglichkeit
von vielen betreffs Deutung/Interpretation:

www.youtube.com/watch?v=_-b6-7AKOwI



Schleichmichel
Beiträge: 2221

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Schleichmichel »

Frank, hast Du auch Bruno Bettelheim gelesen?

Er selbst war nicht ganz unumstritten mit seinen Methoden, schrieb aber zum Thema ein sehr gutes Buch: "Kinder brauchen Märchen". Lesepflicht!



Frank B.
Beiträge: 9318

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Frank B. »

Leider nicht. Danke für den Tipp!



DWUA
Beiträge: 2126

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von DWUA »

Jan Blöd hat geschrieben: Mir fiel auf, dass Frauen/Mädchen meist das zu rettende Opfer (Dornröschen), sind, die am Ende...Versteht Ihr, was ich meine?
Na klar,
Iring Fetscher:
"Wer hat Dornröschen wachgeküßt?"
-Das Märchen-Verwirrbuch-

Ziemlich mager, aber recht launig geschrieben und amüsant zu lesen...

;)



Jan Blöd

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Jan Blöd »

Ich sehe es etwas anders, als einige meiner Mitschreiber hier. Für mich haben Märchen zwei Aspekte immer gehabt. Zum einen sollten sie unterhalten, und zum anderen eine moralische Botschaft liefern. Nämlich die moralische Botschaft der damaligen Zeit, die an den Rollenklischees der damaligen Zeit angepasst waren. Etwa: "Erdulde Dein Leid, dann wendet sich alles zum Guten" (Aschenputtel), "Trau keiner Fremden/Stiefmutter, sie will nur Böses" (Hänsel und Gretel, Schneewittchen), oder "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt" (Die zertanzten Schuhe).
Was aber wäre, wenn die Figuren anders gestaltet wären? Wenn die Hexe aus Hänsel und Gretel nicht das Kinder fressende Monster ist, sondern eine Magie treibende Frau, deren Kundinnen ihre Künste gerne in Anspruch nehmen, die aber keinen Kontakt hat, und froh ist, durch die Kinder etwas Gesellschaft zu haben, und darum klammert?
Und was wäre, wenn Hänsel nicht der Gute, sondern der Böse in der Story wäre, der die Hexe töten will, weil sie ihm das verwehrt, was sie Gretel erlaubt: Magie zu lernen?
Oder die Stiefmutter? Wenn sie die Kinder liebt, und nicht loswerden will, und der Vater nur aus Not so handelt?
Welche moralischen Werte würde das einem Kind, einem Erwachsenen vermitteln? Sind es nicht Werte, die heute so dringend benötigt werden?



Frank B.
Beiträge: 9318

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Frank B. »

Du kannst ja selbst mal ein Märchen schreiben und das alles mal so einarbeiten. Sozusagen eine moderne Sicht auf Hexen werfen. Doch waren die nun damals, nebst Wölfen, Sinnbilder des Bösen, was übrigens auch Gründe hatte, von denen man heute nichts mehr weiß oder viel mehr nicht wissen will. Dabei spielt es im übrigen gar keine Rolle ob ein Sinnbild vollumfänglich einer realen Einschätzung entspricht. Wenn du also Böses darstellen willst, musst du auf heute allgemein verständliche Sinnbilder zurück greifen. Vielleicht nimmste Donald Trump oder Putin oder Nazis oder Nichtvegetarier. Aber ob das dann soviele Menschen fesselt wie die Märchen damals, wage ich ein bisschen zu bezweifeln. Du siehst diese modernen Märchen übrigens jeden Tag im Fernsehen. Die kommen vielen Leuten schon zu den Ohren wieder raus.



Axel
Beiträge: 16299

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Axel »

@Jan Blöd
Formuliere deine Plot-Twists in Märchensprache, und du wirst sehen: alles ist erlaubt, alles geht. Die Interpretation der Märchen als die Herrschaftsmoral untermauernde erbauliche Geschichten ist auf einer sehr oberflächlichen Betrachtungsebene stimmig. Dasselbe gilt auch für moderne Kinomärchen, Genregeschichten, wie von Frank oben hervorgehoben. Wie aber die völlig irrationalen Elemente erklären, die ihren "Zauber" ja eigentlich erst ausmachen? Nötig wären sie nicht, um die Botschaft rüberzubringen. Da erklärt der psychologische Ansatz von Drewermann (von DWUA verlinkt), - obwohl teilweise etwas gewagt und auch beliebiger, - weitaus mehr.

Erzählmedien (wenn nicht in gewissem Sinn Medien überhaupt) vermitteln eine Weltsicht. Du benötigst zum Funktionieren einer solchen Geschichte, wie sie dir vorschwebt, kein gestelztes Es war einmal. Dieser Topos ist allen unterhaltenden und sensationellen Geschichten immanent. Dabei gilt, dass die Geschichten umso schwächer sind, je mehr sie versuchen, realistisch und psycho-logisch zu sein. Die ältesten bekannten Höhlenmalereien erzählen von magischen Selbstüberhöhungen ihrer Erschaffer, Themen sind zuvorderst Wünsche (und "Techniken" zu ihrer Erfüllung) und Ängste (und Bannung ihrer Macht durch Funktionalisierung der Bedrohung als Herausforderung). Höhlenbär, Säbelzahntiger, der verfeindete Stamm: die Schurken der Vorzeit! Ohne Adrenalin und Gänsehaut wäre der Steinzeitmensch am Feuer eingeschlafen, wahrscheinlich verhungert, und wir würden uns heute grunzend mit den Kühen um's Gras streiten.

Die Herausforderungen im 21. Jahrhundert sind komplexer. Nicht zuletzt, seit wir nach Freud ahnen, dass das, was wir für wahr nehmen und für wirklich halten, eine undurchschaubare Schichttorte aus Vorurteilen, Prägungen und unseren zu Kulissen unserer Kulturlandschaft geronnenen Wünschen und Ängsten ist. Trump, Erdogan, Merkel, die syrischen Flüchtlinge, die verklemmte Xenophobie unseres Kollegen, unser eigenes Unbehagen: Elemente einer Dichtung, die danach schreit, erzählt zu werden.



Frank B.
Beiträge: 9318

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Frank B. »

Wobei ich der Meinung bin, dass Märchen eher urtypische psychische Ängste und Verfasstheiten des Menschen ansprechen. Ein Märchen, auch wenn man es in die heutige Zeit adaptieren würde oder ein neues schreibt, das in unserer Zeit spielt (was laufend auch geschieht), wird also im Grunde die gleichen Stereotypen bedienen müssen. Das ist auch sehr gut in allen Filmen oder geschriebenen Geschichten zu erkennen. Es geht immer darum, Gelerntes anzuwenden, Erfahrungen zu machen, einem Über-Ich zu gehorchen, sich von ihm los zu lösen, sich zu emanzipieren, Böses und Gutes zu definieren. Dazu werden halt nur neue, zeitgemäßere Bilder verwendet, um es spannender zu machen, wird auch mal mit den fließenden Grenzen zwischen den Polen (die aber ständig im Hintergrund vorhanden sind) zu spielen. Die arche- bzw. urtypischen Muster bleiben aber immer enthalten. Die Aufgabe des Hörers bzw. Zuschauers ist es, diese Dinge für sich zu entdecken, auszugraben und zu bearbeiten. Dabei ist es vollkommen egal, auf welchem zeitgeschichtlichen Hintergrund ein Märchen entstanden ist.



Frank B.
Beiträge: 9318

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Frank B. »

Ich habe hier mal ein Beispiel aus der Bibel (damit ist diese Geschichte fast 2000 Jahre alt und war schon mit der Übersetzung Luthers 1500 Jahre alt). Das Gleichnis (kein Märchen im eigentlichen Sinn) vom verlorenen Sohn. In der ersten Fassung eben in der Übersetzung Martin Luthers, in der zweiten in der Übersetzung der sogenannten Volxbibel, die den Versuch gewagt hat, die Bibel in eine Sprache zu bringen, die für Jugendliche heute verstänlich ist. Natürlich bleibt die Geschichte die gleiche. Man kann hier natürlich keine Varierungen erwarten, da es ja eine Übersetzung (nah am griechischen Urtext) bleiben soll. Die Geschichte kann also nicht ganz anders verlaufen. Man sieht aber deutlich, dass man plötzlich in einer anderen (moderneren) Welt ist, wenn auch nicht ganz konsequent, denn heute ist kein erwachsener Mensch mehr bei einem Grillabend darauf angewiesen, dass der Vater ihm die Würstchen für einen dafür zur Verfügung stellt (s.u.). Dieser Passus ist natürlich der Übersetzung geschuldet, die keine großen Variierungsmöglichkeiten zulässt. Man spürt trotz moderner Übertragung noch deutlich, dass die ursprüngliche Geschichte in einer patriarchalisch geprägten Welt spielt. Wenn man die Geschichte allerdings raus nähme aus dem Übersetzungs- bzw. Übertragungscharakter und sie endgültig in unsere Zeit transportieren möchte, könnte und müsste man mehr variieren, müsste aber dennoch darauf achten, dass sie ihren Charakter behielte. Es geht im Grunde um Reue, Vergebung und Neuanfang. Diese Dinge MÜSSEN zwangsweise irgendwo vorkommen. Sie sind archetypisch und wenn ich sie in einer Geschichte behandeln möchte, MUSS ich mir die entsprechenden Bilder dazu einfallen lassen.

Nach Luther (16. Jhdt.)
Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngste unter ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört. Und er teilte ihnen das Gut. Und nicht lange darnach sammelte der jüngste Sohn alles zusammen und zog ferne über Land; und daselbst brachte er sein Gut um mit Prassen.
Da er nun all das Seine verzehrt hatte, ward eine große Teuerung durch dasselbe ganze Land, und er fing an zu darben. Und ging hin und hängte sich an einen Bürger des Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die S_ä_u_e* zu hüten. Und er begehrte seinen Bauch zu füllen mit Trebern, die die S_ä_u_e* aßen; und niemand gab sie ihm. Da schlug er in sich und sprach: Wie viel Tagelöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir und bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner! Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Da er aber noch ferne von dannen war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals und küßte ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringet das beste Kleid hervor und tut es ihm an, und gebet ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße, und bringet ein gemästet Kalb her und schlachtet's; lasset uns essen und fröhlich sein!, denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an fröhlich zu sein.
Aber der älteste Sohn war auf dem Felde. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er das Gesänge und den Reigen; und er rief zu sich der Knechte einen und fragte, was das wäre. Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat ein gemästet Kalb geschlachtet, daß er ihn gesund wieder hat. Da ward er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. Er aber antwortete und sprach zum Vater: Siehe, so viel Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten; und du hast mir nie einen Bock gegeben, daß ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. Nun aber dieser dein Sohn gekommen ist, der sein Gut mit Huren verschlungen hat, hast du ihm ein gemästet Kalb geschlachtet. Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und gutes Muts sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist wieder gefunden.

Volxbibel (Ende 20. Jhdt.)
„Es gab mal einen Mann, der hatte zwei Söhne.
Irgendwann sagte der jüngere Sohn zum Vater: ‚Papa, ich möchte die fünfzig Prozent von deinem Vermögen, die ich sowieso mal erben werde, jetzt schon ausbezahlt bekommen!‘ Der Vater war einverstanden und zahlte ihm das Geld aus. Ein paar Tage später packte der Sohn seine Sachen zusammen und ging auf Weltreise. Er lebte in Hotels und in Spielcasinos, verzockte sein ganzes Vermögen in Clubs und auf Partys, bis er pleite war.
In der Zeit gab es plötzlich eine große Wirtschaftskrise im Land, die Lebensmittel wurden unbezahlbar und viele Menschen hatten nichts zu essen. Auch der Sohn hatte Hunger.
Immerhin bekam er einen Job als Toilettenmann bei McDonalds.
Der junge Mann war so hungrig, dass er am liebsten die Abfälle gegessen hätte, die die Restaurantbesucher in den Müll warfen, aber noch nicht mal das durfte er.
Schließlich überlegte er hin und her: ‚Zu Hause bei meinem Vater bekommt jeder Arbeiter ein Mittagessen und ich sterbe hier fast vor Hunger!
Die beste Idee ist es wahrscheinlich, wieder nach Hause zu gehen. Dann sag ich zu ihm: Papa, ich habe großen Mist gebaut, ich hab mich von dir und von Gott abgewandt!
Ich hab es auch nicht mehr verdient, zu deiner Familie zu gehören. Aber gib mir bitte irgendeinen Job in deiner Firma.‘
Also ging er wieder zurück zu seinem Vater. Schon von weitem sah der Vater seinen Sohn ankommen. Mit Tränen in den Augen lief er ihm sofort entgegen, umarmte und küsste ihn.
Der Sohn sagte sofort: ‚Papa, ich hab großen Mist gebaut! Ich hab mich falsch verhalten dir und Gott gegenüber, ich hab es echt nicht mehr verdient, dein Sohn genannt zu werden.‘
Sein Vater hörte ihm aber gar nicht richtig zu, er rief nur schnell ein paar Angestellte zu sich und beauftragte die: ‚Los jetzt, bringt den besten Anzug her, den ich im Schrank hängen habe. Holt ein paar gute Schuhe und den Familienring.
Fahrt das beste Essen auf, die Sachen, die wir extra für einen besonderen Anlass aufbewahrt haben!
Es gibt einen Grund zum Feiern! Mein Sohn war schon so gut wie tot, aber jetzt ist er wieder hier und lebt, ich hatte ihn schon aufgegeben, aber er ist zurückgekommen!‘
In der Zeit war der ältere Sohn noch bei der Arbeit. Als er nach Hause kam, hörte er schon von weitem, dass da ’ne Party am Start war.
Er fragte einen der Hausangestellten, was da los sei.
‚Ihr Bruder ist wieder da! Ihr Vater hat eine große Party organisiert und hat das ganz besonders große kalte Büfett kommen lassen, das für besondere Anlässe.‘
Aber der ältere Bruder war total angefressen und blieb sauer draußen stehen. Schließlich kam der Vater raus und fragte ihn: ‚Warum kommst du nicht rein, mein Junge?‘
‚Man, Vater! Wie viele Jahre arbeite ich jetzt schon für dich? Ich hab immer alles getan, was du wolltest, hab malocht wie ein Blödmann, als würde ich dafür bezahlt werden. Aber ich durfte die ganze Zeit nicht einen Grillabend mit meinen Freunden machen, weil du mir noch nicht mal ein paar Würstchen dafür zur Verfügung gestellt hast.
Jetzt kommt dein anderer Sohn, der immerhin dein ganzes Geld mit Nutten und Partyleben verzockt hat, und du fährst hier die Sachen auf, die eigentlich nur für ganz besondere Anlässe gekauft wurden.‘
Sein Vater sah ihn an und meinte nur: ‚Mein Lieber, du bist mir immer sehr nahe gewesen! Alles, was mir gehört, gehört auch dir!‘
Aber lass uns heute eine große Party feiern! Dein Bruder war für uns schon so gut wie tot, aber jetzt lebt er wieder, wir hatten ihn schon aufgegeben, aber er hat den Weg zurückgefunden.‘“


* Dieses Wort fällt komischerweise dem Filter von Slashcam zum Opfer, während "Nutten" offensichtlich durch geht. :D
Zuletzt geändert von Frank B. am Mo 20 Mär, 2017 09:39, insgesamt 2-mal geändert.



Axel
Beiträge: 16299

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Axel »

Frank B. hat geschrieben:Die arche- bzw. urtypischen Muster bleiben aber immer enthalten. Die Aufgabe des Hörers bzw. Zuschauers ist es, diese Dinge für sich zu entdecken, auszugraben und zu bearbeiten. Dabei ist es vollkommen egal, auf welchem zeitgeschichtlichen Hintergrund ein Märchen entstanden ist.
Genau. Es ist möglich, als Geschichtenerfinder eine Botschaft für sich im Klartext zu formulieren und die "Semantik" der Märchen darauf anzuwenden. Das führte genau zu dieser belehrenden Haltung, die Jan Blöd im Eingangsposting beklagt. Erzähler sind keine Essayisten. Das Unwahrscheinliche, Phantastische an Märchen ist nicht die Behauptung, dass Zauberer und Drachen und sowas existieren, sondern das Happy End. Wir akzeptieren bereitwillig die Allegorien, darauf fußt ja das Wirkprinzip. Weil sie wahr sind. Keine "alternativen Fakten", sondern Fakten der Seele (ich sage bewusst nicht das pseudo-wissenschaftliche Psyche). Die Schlüsse der Märchen, die Lösungen für die Probleme, sind meistens vorläufig (... und wenn sie nicht gestorben sind ...). Eine kleine List, eine vorübergehende Korrektur einer Fehlhaltung, das glückliche Eingreifen einer dritten Partei. Und sie behaupten nicht, Allgemeingültigkeit zu besitzen. Die Erlösung aus der Verwunschenheit ist reine Utopie. Wenn man es mit solchen Gegnern aufnehmen müsste, könnte es eigentlich nur böse enden. Das Ende ist unglaubhaft, aber eben als Aufforderung gemeint, über sich hinauszuwachsen und an das Gute zu glauben im Sinne von Es gibt nichts Gutes außer man tut es. Der nächste Ärger ist allerdings gleich um die Ecke. Nach Taken kommen die Fortsetzungen. Ein steter Kampf ist unser Leben.

@Frank
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn sah ich immer zuerst als Verurteilung der braven Söhne als Heuchler, Speichellecker und Erbschleicher. Reue und Vergebung sind darin gar keine moralischen Forderungen, weil Vater und Sohn sie authentisch empfinden.
Zuletzt geändert von Axel am Mo 20 Mär, 2017 09:37, insgesamt 1-mal geändert.



Frank B.
Beiträge: 9318

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Frank B. »

Das Happy End der meisten, vor allem der Volksmärchen hat aber eben diesen prägenden Effekt, dass eine positive Grundtendenz im Leben gestärkt und gebildet wird, gerade im Kindesalter. Dass das im wahren Leben natürlich nicht so ist, dass alles in einem Happy End mündet, wird man noch früh genug erfahren.

Und klar, man kann die Kernaussage eines Märchens auch in einem zusammenfassenden Satz den Kindern oder auch Erwachsenen mitteilen, sozusagen die Märchen entmystifizieren und auf eine rationale Aussage reduzieren. Doch wird das die Seele töten.



domain
Beiträge: 11062

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von domain »

Ich habe mal an Veranstaltungen und Seminaren von Volke Tegetthoff teilgenommen und dort auch als leidenschaftlich spontan erfindender Märchenerzähler für meine Tochter mit ihm diskutiert. Er empfahl mir, die Geschichten doch niederzuschreiben, waren aber so abstrus, dass meine Tochter sehr zum Leidwesen meiner Frau mit hochrotem Kopf nicht mehr einschlafen wollte.
Eine ganz andere Sache ist die Umarbeitung von Märchen in ein Drehbuch, unglaublicher Aufwand, wenn ich nur an den Kultfilm "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" denke.
Interessanter Mensch, der Tegetthoff aus Graz und ziemlich erfolgreich mit seinen modernen Märchen
http://www.tegetthoff.at/folke_tegettho ... endichter/



dienstag_01
Beiträge: 13475

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von dienstag_01 »

Frank B. hat geschrieben:Das Happy End der meisten, vor allem der Volksmärchen hat aber eben diesen prägenden Effekt, dass eine positive Grundtendenz im Leben gestärkt und gebildet wird, gerade im Kindesalter.
In meinen Augen ist dieser pädagogische Ansatz eine vollkommene Fehlinterpretation. Zumindest haben die Gebrüder Grimm ihre Märchensammlung nicht für Kinder erstellt. Und wenn man sich die mal anschaut, nicht nur die zehn Märchen, die wir im Allgemeinen kennen, dann versteht man auch warum: Märchen = Happy End -> Quatsch, Märchen = Erkenntnis -> Quatsch, Märschen = Aufforderung zu richtigem Verhalten -> Quatsch, usw., Botschaft auch Quatsch.

Gibt es ein Märchen, wo es nicht um (Ur-) Ängste geht? Mir fällt keins ein.



Axel
Beiträge: 16299

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Axel »

dienstag_01 hat geschrieben:
Frank B. hat geschrieben:Das Happy End der meisten, vor allem der Volksmärchen hat aber eben diesen prägenden Effekt, dass eine positive Grundtendenz im Leben gestärkt und gebildet wird, gerade im Kindesalter.
In meinen Augen ist dieser pädagogische Ansatz eine vollkommene Fehlinterpretation. Zumindest haben die Gebrüder Grimm ihre Märchensammlung nicht für Kinder erstellt. Und wenn man sich die mal anschaut, nicht nur die zehn Märchen, die wir im Allgemeinen kennen, dann versteht man auch warum: Märchen = Happy End -> Quatsch, Märchen = Erkenntnis -> Quatsch, Märschen = Aufforderung zu richtigem Verhalten -> Quatsch, usw., Botschaft auch Quatsch.

Gibt es ein Märchen, wo es nicht um (Ur-) Ängste geht? Mir fällt keins ein.
Ängste und Wünsche eben (nach Freud zwei Seiten einer Medaille). Aber du hast Recht. Aus dem Stegreif fallen uns ja eh nur disney-isierte Kitschversionen ein. Dabei weiß ich noch genau (wenn mir auch gerade die Titel nicht einfallen), dass ich bei einigen Märchen hinterher Schwierigkeiten hatte, einzuschlafen:
> Eine Frau heiratet einen Massenmörder und entdeckt bei dessen Abwesenheit die Leichen ihrer Vorgängerinnen in einem verbotenen Zimmer (ähnlich König Blaubart).
> Ein Junge wird erschlagen. Jahre später schnitzt jemand aus einem seiner Knochen eine Flöte, die dann audiomäßig vom Mord kündet, worauf der Mörder gefasst wird.
> Ein junger Mann will lernen, sich zu fürchten und nimmt Erhängte ab und ähnlich makabre Sachen. Aber vergebens, er bleibt furchtlos. Erst als ihm seine Frau kalte Fische ins Bett schüttet, lernt er das Grauen. Letzteres sehr strange und irgendwie surreal.



Frank B.
Beiträge: 9318

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Frank B. »

@dienstag_01

Ich gebe dir insofern Recht, dass es damals noch keine Pädagogik, so wie wir sie heute verstehen, gab. Und natürlich sind die Märchen der Gebrüder Grimm eine Sammlung von Märchen , die es lange schon vor ihnen gab. Sie haben sie etwas überarbeitet und gesammelt. Märchen, abar auch viele andere Geschichten, wurden lange mündlich tradiert und das natürlich auch und gerade im Kreise der Kinder, bevor sie schriftlich abgefasst wurden. Das ist auch mit sehr vielen biblischen Geschichten so. Wir blicken also teilweise in Zeiten zurück, in der man nicht über Pädagogik bzw. Erziehung reflektierte. Dennoch hat man zu jeder Zeit seinen Kindern etwas Lehrhaftes mitteilen wollen. Und als Erwachsener fand man in diesen Geschichten eine Brücke zwischen den Ahnen, sich sebst und den Nachfahren. Man wurde gleichermaßen erinnert an Lebenserfahrungen sowie vergegenwärtigte und reflektierte sie immer wieder neu. So sind Märchen eine Art Seelenbildung, heute würde man eher von Psyche sprechen. Ich bleibe aber sehr gern auch bei dem Begriff Seele, weil er etwas diffuser ist und vielleicht ein wenig mehr umschreibt, was das Menschsein ausmacht. Märchen und Legenden, Gleichnisse und viele Geschichten sind auch in Erzählgeschichten gegossene Lebens- und Wirklichkeitserfahrungen, die ähnlich einer Schnur statt Perlen Generationen zusammen hält und ihre Gemeinschaft festigt.
Urängste werden immer angeregt, wenn es um Grenzerfahrungen geht. Jede Angst ist immer eine Verlustangst (natürlich gibt es auch krankhafte Ängste ohne klar definierbare Ursachen, aber die sind bei gesunden Menschen eher selten - es ist eher ein Krankheitsbild). Etwas zu verlieren, was einem wichtig ist, erzeugt Angst. Dennoch gibt es vielerlei Verlustmöglichkeiten. Ich würde jetzt nicht die Märchen nur auf kristallisierte Ängste reduzieren. Das fände ich deutlich zu kurz gegriffen.
Zuletzt geändert von Frank B. am Mo 20 Mär, 2017 14:19, insgesamt 1-mal geändert.



Frank B.
Beiträge: 9318

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Frank B. »

Axel hat geschrieben:Dabei weiß ich noch genau (wenn mir auch gerade die Titel nicht einfallen), dass ich bei einigen Märchen hinterher Schwierigkeiten hatte, einzuschlafen:
> Eine Frau heiratet einen Massenmörder und entdeckt bei dessen Abwesenheit die Leichen ihrer Vorgängerinnen in einem verbotenen Zimmer (ähnlich König Blaubart).
> Ein Junge wird erschlagen. Jahre später schnitzt jemand aus einem seiner Knochen eine Flöte, die dann audiomäßig vom Mord kündet, worauf der Mörder gefasst wird.
> Ein junger Mann will lernen, sich zu fürchten und nimmt Erhängte ab und ähnlich makabre Sachen. Aber vergebens, er bleibt furchtlos. Erst als ihm seine Frau kalte Fische ins Bett schüttet, lernt er das Grauen. Letzteres sehr strange und irgendwie surreal.
Die beiden ersten sagen mir jetzt erstmal nichts, obwohl ich die meisten Märchen der Gebrüder Grimm schon gelesen haben dürfte. Vielleicht sind das ja auch Kunstmärchen. Das letzte allerdings ist tatsächlich auch von den Gebrüdern Grimm und zwar das Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen.



Jan Blöd

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Jan Blöd »

Das man Märchen auch anders verstehen kann, sieht man an diesem Artikel

http://www.stern.de/familie/kinder/twit ... 80882.html

Ich zitiere:
Wenn Kinder noch klein sind, denken sie nicht in Kategorien. Sie spielen mit denen, die sie mögen, egal ob Junge oder Mädchen. Sie tragen Kleidung, die ihnen gefällt, egal ob blau oder rosa. Ihr Lieblingsspielzeug wählen sie mit dem Herzen aus und nicht danach, bei welcher Zielgruppe der Hersteller es platzieren möchte.
Und dann kommen die Erwachsenen ins Spiel. Und damit die Klischees, die so schwer zu überwinden sind. Farben bekommen geschlechtsspezifische Bedeutungen, Puppen sind was für Mädchen, Mädchen prügeln sich nicht. Trotz aller feministischen Bemühungen in puncto Gleichstellung halten sich die binären Ansichten, wie ein Junge und wie ein Mädchen zu sein und zu denken und zu empfinden hat, hartnäckig. (...)
Bricht mal einer aus, aus den tradierten Denkweisen, wird er dafür kritisiert. So passierte es dem Sohn von Twitter-Userin _setzkasten_, der in seiner Deutsch-Hausaufgabe ein Märchen verfasste und darin eine Prinzessin kämpfen ließ. Er kassierte dafür eine Anmerkung seiner Lehrerin, die im Idealfall nur zu pauschal formuliert ist: "Es passt nicht zu Märchen, dass die Prinzessin kämpft." (...)
Viel klassischer als Grimm geht es als Vorbild für den Deutschunterricht kaum. Doch selbst Jakob und Wilhelm Grimms Märchen wurden für jede Neufassung ein wenig abgewandelt, damit sie lebendig blieben, lernen wir im "Cicero"-Interview. Röllekes wohl wichtigste Aussage lautet: "Kinder brauchen Märchen. Sie sind wichtig für die kindliche Frühentwicklung. Sie lernen Literatur kennen. Ein Vierjähriger, der Hänsel und Gretel hört, identifiziert sich mit den Kindern. Auf einmal ist da ein Stück Literatur, in das ein Kind förmlich hineinsteigt."
Kämpfende Prinzessinnen bieten genau das: die perfekte Vorlage für Identifikation und Fantasie.
Also ist es okay, die Klischees als solche zu entlarven, indem man sie auf den Kopf stellt!



Frank B.
Beiträge: 9318

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Frank B. »

Dieser Artikel ist aus genderpolitischer Sicht geschrieben, von der ich nicht viel halte. Die Aussagen sind von der Hirnforschung größtenteils widerlegt worden. So orientieren sich schon sehr kleine Babyjungs eher zu ner blauen Farbe und Mädchen eher zu einer rötlichen.Aber natürlich spielt es eine Rolle, ob Erwachsene einen Jungen einen Jungen oder ein Mädchen ein Mädchen sein lassen wollen. Du kannst alles mögliche einem Kind aufdrücken. Jede Ansicht bis zu der, dass töten was Tolles ist. Wenn man ein Kind wirklich sich frei entwickeln lassen möchte, werden sich danach 90% der Jungs wie Jungs und 90% der Mädchen zu nem Mädchen entwickeln. Und beide Geschlechter werden gern Märchen der Gebrüder Grimm hören, es sei denn man ersetzt sie durch Gendermärchen. Dann kennen sie nichts anderes. Meine steile These, die ich in den Raum stelle ist, wenn sie beides kennen, werden ihnen die Grimmschen Märchen besser gefallen und ihnen fürs Leben mehr bringen.

Ich empfehle immer für Interessierte am Thema Genderismus die Fernsehserie "Gehirnwäsche" des norwegischen Comedian Harald Eia. Die ist leicht verständlich und unterhaltsam, dennoch kommen darin Hirnforscher zu Wort und es wird sehr deutlich, wo die Gender"forschung" einzuordnen ist.
Ich sags mal so: Die Gebrüder Grimm haben auf jeden Fall die fundierteren Fakten in ihren Märchen auf ihrer Seite. ;)



Axel
Beiträge: 16299

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Axel »

Zu der Gender-Problematik in Märchen, aber eigentlich in der ganzen Erziehung vor unserem kulturellen Hintergrund, gibt es eine Netflix-Doku, die darlegt, wie Männer ebenfalls Opfer sind:


Eine Fähigkeit, die Männern in größerem Maße weg-domptiert wird als Frauen, ist das natürliche Hören auf ihre eigenen Emotionen. Damit verbunden die Fähigkeit, die Bedürfnisse der Mitmenschen wertzuschätzen, bzw. überhaupt erst zu erkennen. Diese Verhältnisse wurden in der Vergangenheit auf hormonelle Unterschiede geschoben. Testosteron macht dich zum Jäger, Östrogen zur Mutter. Hormonspiegel beeinflussen die Affekte, das ist bewiesen. Diese Unterschiede zu Masken gerinnen zu lassen und zu behaupten, sie seien, äh, naturgewollt, ist aber äußerst fragwürdig.

So gesehen gebe ich dir Recht. Märchen für Kinder sollten modernisiert werden. Es ist aber m.E. nicht viel gewonnen, wenn man einfach die Rollen tauscht oder Frauenrollen mehr Eigenständigkeit verleiht. Jeder sollte für sich seine sämtlichen Rollen überprüfen. Verhalte ich mich so oder so, weil ich es will oder bloß, weil es den unterstellten oder herangetragenen Erwartungen von anderen ("der Gesellschaft") entspricht?

Die Frage wirkt läppisch, in Wirklichkeit ist sie revolutionär.
Frank B. hat geschrieben:Die Aussagen sind von der Hirnforschung größtenteils widerlegt worden.
Menschliches Verhalten ist zu einem sehr großen Teil irrational. Dazu gibt es das Eisberg-Modell zur Veranschaulichung. Was wir (auch uns selbst) als eigenständige Entscheidung verkaufen, ist bloß die berühmte "Spitze des Eisbergs". Wir hatten eine ähnliche Hirnforschungs-Debatte schon zu Apple, dessen Käufer angeblich religiöse Gefühle empfinden. Ein Wissenschaftler, der eine solche Schlagzeile verbreitet (religiöse Gefühle, was soll das bitte schön sein?), diskreditiert sich nur selbst. Es ist Hirnforschern nicht möglich, die Hirnaktivität einer säugenden Mutter von der eines gewaltbereiten Hooligans zu unterscheiden, der seine Mannschaft ekstatisch bejubelt. Widerlegt? Ich würde mal sagen, Lesen des Schicksals aus Instant-Kaffeesatz ist irgendwie verlässlicher!



Jan Blöd

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Jan Blöd »

@ Frank B.,

Etwas abzulehnen, nur, weil man etwas nicht versteht, oder verstehen will, ist genau das, was der Artikel uns zu verstehen geben will. Fakt ist, dass Frauen (in Deutschland vielleicht weniger) benachteiligt werden, und verurteilt werden, wenn sie nicht "ins Bild" passen. Eine Frau, die ihre Karriere verfolgt, statt bei den Kindern zu sein, wird als Rabenmutter bezeichnet. Wo bleibt das Pendant des Rabenvaters?
Wenn ein Mann laut schreiend seinen Willen durchsetzen will, gilt es als stark, als "männlich", tut eine Frau dasselbe, so ist sie eine Zicke, oder hat ihre "Tage".
Verstehst Du, was ich meine?

@ Axel,

Einigen wir uns darauf, dass die traditionellen Geschlechtsrollen Murks sind, und wir nach unseren Talenten, nicht nach Geschlecht (oder anderen doofen Kriterien) beurteilt werden sollen, und, dass die Geschlechtsrollen auf den Prüfstand gehören, wenn nicht sogar abgeschafft gehören.
In einem aber widerspreche ich Dir teilweise!
Zwar werden auch Männer unterdrückt, aber meist von Geschlechtsgenossen, und weniger von Frauen. In den meisten Fällen sind es Männer, die Frauen unterdrücken, und nicht Frauen, die Männer unterdrücken! Ob wohl ich weiß, dass es auch solche Fälle gibt!



rob
Administrator
Administrator
Beiträge: 1587

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von rob »

***nach OffTopic von Admin verschoben***



Axel
Beiträge: 16299

Re: Märchen einmal andersrum

Beitrag von Axel »

Jan Blöd hat geschrieben:@ Axel,

Einigen wir uns darauf, dass die traditionellen Geschlechtsrollen Murks sind, und wir nach unseren Talenten, nicht nach Geschlecht (oder anderen doofen Kriterien) beurteilt werden sollen, und, dass die Geschlechtsrollen auf den Prüfstand gehören, wenn nicht sogar abgeschafft gehören.
In einem aber widerspreche ich Dir teilweise!
Zwar werden auch Männer unterdrückt, aber meist von Geschlechtsgenossen, und weniger von Frauen. In den meisten Fällen sind es Männer, die Frauen unterdrücken, und nicht Frauen, die Männer unterdrücken! Ob wohl ich weiß, dass es auch solche Fälle gibt!
Du widersprichst mir nicht. Ich spreche nicht von persönlicher Unterdrückung, sondern von struktureller. Und da haben es, ironischerweise, eindeutig von der Norm abweichende Individuen (Schwule, Lesben, Transgender) erheblich leichter, ihre eigenen Rollen zu finden. Selbst im diktatorischen Russland, wo drakonische Sanktionen drohen (entsprechendes Posting nun im off-topic). Rollen bleiben es dennoch, angenommene Identitäten.

Eine Identität ist zwingend notwendig. Nicht nur in Gesellschaft, auch ein Robinson braucht sie. Der Grad an Bewusstheit, mit der man die eigene Identität annimmt und ausfüllt, macht den Unterschied. Eine Frau, die sich für ein Leben für ihre Kinder entscheidet, kann besser "individuiert" (C.G. Jung) sein als eine Karrierefrau. Die Menschenverbiegung der althergebrachten Geschlechterrollen hat aber dann nichts damit zu tun. Man kann auf Unterwürfigkeit und Selbstaufopferung genau so dressiert sein wie auf äußerlichen Erfolg und Ellenbogendenken. Wer da den Weg des geringeren Widerstands geht, ist in Wirklichkeit eher Täter als Opfer, weil er die vorherrschende Struktur noch weiter stärkt - wird besonders deutlich in der Rolle der Frau im fundamentalistischen Islam - nur ein gradueller Unterschied. Witziges Detail aus dem Pynchon-"Roman" Mason&Dixon: eine englische Feministin des 18. Jahrhunderts heiratet aus Neugier den Sultan Mustafa und zieht in seinen Harem. Sie ist ihm intellektuell haushoch überlegen, mag ihn aber irgendwie und nennt ihn zärtlich "Stuffy" (schöne Zote). Sie ist zwar seine Lieblingsfrau, es stört ihn aber schon, dass sein übriger Harem sich ebenfalls allmählich emanzipiert und ihn freundlich geringschätzt.



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