ich werde in der nächsten Zeit einige klassische "Talking-Head"-style Interviews in verschiedenen Innenräumen machen.
Bisher habe ich für Interviews etc. mein Videomic Pro am Zoom H2 verwendet.
Ich hab heute ein Interview gemacht, bei dem leider ein echt unschöner Hall den Ton etwas verschandelt. Setting: Person sitzt, davor steht auf einem Tonstativ so nah unterm Gesicht wie möglich das Videomic Pro, aufgezeichnet mit dem Zoom H2.
Bekommt man mit einem Lavalier in solchen Fällen i.d.R. weniger Hall in die Aufzeichnung?
Und könnt ihr ein Lavalier für möglichst unter 100€ empfehlen? Würde es in Kombination mit dem Zoom H2 und teilweise ggf. mit 'nem Iphone plus Rode-Adapterkabel nutzen.
Du mußt mit dem Mikrofon immer innerhalb des Hallradius bleiben (http://de.wikipedia.org/wiki/Hallradius). Wenn ein normales Mikro nicht im Bild sein soll, ist eins zum anstecken wohl die einzige Alternative.
„Bekommt man mit einem Lavalier in solchen Fällen i.d.R. weniger Hall in die Aufzeichnung?“
„I.d.R.“ nicht, da die meisten Ansteckmikros Kugel- oder Nierencharakteristik haben, d.h. sie sind meiner Erfahrung nach sogar kritischer als ein gerichtetes Kondensatormikrofon, was Raumhall betrifft. Aber letztlich ist das alles nur Theorie, in der Praxis setzt sich kein Tonassistent hin und fängt an, den Hallradius zu berechnen. Er hat einen Satz Mikrofone dabei (mindestens: Richtrohr, Anstecker, dynamische Niere für Reporter-Einsätze) und probiert sie wenn nötig durch, bis die jeweils bestmögliche Lösung erreicht ist. Nicht selten besteht sie darin, den Ton mit dem Richtmikrofon von oben zu angeln, bzw. an einem Galgen zu befestigen. Und wenn garnichts hilft, muss eben der Interviewpartner anders positioniert werden, oft klingt der Ton vor z.B. einem Bücherregal schon ganz anders als in der Mitte des Raumes. Als „Messinstrument“ dienen dabei die eigenen Ohren, weshalb ein professioneller Kopfhörer zwingend zur Ausrüstung gehört. Mit den –oft frequenztechnisch gepimpten- Hipster- Stöpselchen aus dem MurksMarkt bist du de facto taub, daran sollte man nicht sparen, ebenso wenig an den Mikrofonen. Im Zweifel ist es besser und günstiger, Profi-Equipment tageweise zu leihen, als in Billigkram zu investieren.
Zuletzt geändert von Jalue am So 19 Okt, 2014 10:51, insgesamt 1-mal geändert.
Das Problem mit Richtmikrofonen in Räumen ist, dass das Echo dem Funktionsprinzip des Interferenzrohr im Wege steht.
Ideal wäre einen richtig positionierte Hyperniere, wenn es aber günstig und einfach sein soll, dann ist eine Lavalier für dich sicher die beste Wahl.
Ich habe sehr gute Erfahrungen mit der Kombi Lavalier und Rode NT3, von oben (!) geangelt, gemacht - und auch mit dem Rode NT3 von oben alleine (falls der Protagonist gerne mit der Hand beim Reden gestikuliert und das Lavalier verdeckt, draufschlägt etc pp).
Ein Richtmikro würde ich nur nehmen, wenn der Interviewpartner beim Reden den Kopf still halten kann.
Jeder, ich betone 'JEDER', will im Grunde Lavalierton hören bei solchen Interviews. Die Nachteile von Lavaliers sind da im Gegenzug in den allermeisten Fällen zu vernachlässigen. Wir sind es gewohnt, diesen Direktschall zu hören, und die lavaliertypische Frequenzüberhöhung im Brustbereich macht die Stimmen auch zunächst mal ähnlich intim und angenehm wie der Nahbesprechungseffekt, oder die echte physische Nähe zu einer Person. Es ist schon mehrfach demonstriert worden - Headsetmikro, Lavalier, etc., selbst ein billiges, wird immer als angenehmer und besser verständlich empfunden als das teuerste Richtmikro aus einiger Entfernung, und wir sind auch mittlerweile drauf konditioniert, diese Qualität zu erwarten.
In vielen Fällen sind es zwar dann auch keine Lavaliers, sondern im Falle von deutsch synchronisierten Filmen eben Studioaufnahmen, aber eben immer mit maximiertem Direktschall und minimierten Reflektionen, und intensiver Arbeit an der Verständlichkeit, sowohl von Seiten der Technik als auch der gut ausgebildeten Synchronsprecher.
Mit ein Grund, warum es bei Filmen mit deutschsprachigem Location Sound oft soviele Beschwerden gibt. Obwohl Muttersprache und eigentlich von daher optimale Verständlichkeit auf der höheren Sprachebene, oft Einschränkungen die aus der Verwendung von geangeltem oder am Set nicht optimal realisiertem Location Sound resultieren.
Typisches Beispiel aus der jüngsten Gegenwart - Dominik Graf's 'Die geliebten Schwestern' (immerhin jetzt Oscar Kandidat). Massenweise Location Sound in hohen Räumen mit viel Reflektion an Originalschauplätzen, mit der Graf-typischen spontanen Regie und dem freien Spiel der Darsteller extrem schwer in den Griff zu kriegen. Gibt viel Beschwerden in den Kinos über die schlechte Verständlichkeit.
Die Deutschen sind synchron-verwöhnt, und die hohe technische Qualität bei den deutschen Broadcastern im Livebereich spiegelt das auch zurück.
- Carsten
and now for something completely different...
Zuletzt geändert von carstenkurz am Mo 20 Okt, 2014 15:26, insgesamt 3-mal geändert.
carstenkurz hat geschrieben:Jeder, ich betone 'JEDER', will im Grunde Lavalierton hören bei solchen Interviews. ... Headsetmikro, Lavalier, etc., selbst ein billiges, wird immer als angenehmer und besser verständlich empfunden als das teuerste Richtmikro aus einiger Entfernung...
Ganz kurz Danke fürs Formulieren dessen, was ich bislang nur 'gefühlsmäßig erahnt' habe. Ein sehr hilfreicher Hinweis.
Countryman und Sanken, letztere recht hochpreisig. TRAM gilt ein bißchen als Geheimtip.
Für verdeckten Betrieb bei Spielfilm, etc. spielt neben der Baugröße auch das ggfs. lieferbare mechanische Zubehör für die Befestigung, Farbvarianten etc. ne Rolle.
Es gibt doch irgendwo bei Youtube einen Film von einem Amerikaner, der alle möglichen Anstecker getestet hat. Da ist mir in Erinnerung, dass mir rein klanglich das Rode Lavalier am besten gefallen hat und das Tram TR 50 nicht so sehr. Da war dann auch noch das ME 2 und das Cos 11D dabei.
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