Das von dir beschriebene Eingreifen ist natürlich ein viel stärker Eingriff, als die Wahl des Bildausschnitts. Persönlich finde ich das inszenieren von Szenen, oder besser gesagt das Schaffen eines geplanten Rahmens, in dem sich dann etwas ungescriptetes abspielt, interessant. Auch dabei kann Wahres herauskommen. Nicht gut finde ich es, wenn man schon beim zuschauen weiss, dass die Kamera nicht schon bei der vom Protagonisten zu aufzufindenden Person hinter der noch zu öffnenden Tür steht und die Begrüßung wird gespielt und so weiter. Das ist plump und die ARD Mediathek Dokus sind voll davon.Drushba hat geschrieben:Inszenierung ist meiner Meinung nach, wenn ich eingreife. Z.B. wenn ich sage "komm jetzt noch mal durch diese Türe, ich hatte die Kamera gerade aus, als du reinkamst." Wiederholungen oder bewußte Inszenierungen halte ich beim beobachtenden Dokumentarfilm persönlich für völlig daneben - zudem geübte Zuschauer dies auch merken würden.Helge Renner hat geschrieben:Weder ist das Quatsch noch ist es eine Frage der Moral. Wenn du deine Kamera auf etwas richtest, dann ist das deine selektive Sicht auf eine Wirklichkeit und bereits damit ist es unsinnig, von "der Wirklichkeit" zu sprechen. Dann werden die Szenen geschnitten und in eine dramaturgisch sinnvolle Reihenfolge gebracht, und fertig ist die Inszenierung. Daran ist absolut nichts schlechtes, aber es ist naiv, sich dessen nicht bewusst zu sein. Von mir aus kann man Inszenierung auch durch Manipulation ersetzen.
Das "Wirkliche" ist ganz einfach da, ob ich die Kamera nun draufhalte oder nicht. Es sind keine Quantenzustände die sich bei Beobachtung sofort ändern, es gibt genügend Puffer von situativer, emotionaler Überlagerung seitens der Protagonisten. Wenn diese in ihrer Welt bleiben können, vergessen sie ganz oft die Kamera und es entstehen die filmischen Momente, die so wertvoll sind.
Ein weiteres Problem und von Dir zurecht angesprochen, ist der Schnitt, verbunden mit diesem sogar in hochkarätigen Workshops geäußerten, aber nicht minder ekelhaftem Zwang zur Dramaturgie. Meiner Meinung nach ergibt sich die Dramaturgie aus dem Geschehen. War ich da, um Schlüsselmomente aufzunehmen ist es gut, wenn nicht, dann eben nicht. Wenn ein Film nicht aufgeht, geht er nicht auf. Dafür gibt es zur Not die Tonne (und von dieser Gebrauch zu machen, hat einen hohen pädagogischen Wert, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Fast alle meine "Filmhochschulversuche" wanderten da rein ;-). Hier sehen wir eher das Spannungsfeld von Auftragsproduktionen, wo im Schnitt inszeniert werden muß, damit das Endergebnis rund wird und gefällt.
Beim Schnitt weiß ich nicht, wie du der Dramaturgie entgehen willst. Oder ordnest du alle Szenen schön chronologisch an? So weit ging ja nicht mal die zweifelhaften Dogumentary Regeln Lars von Triers.