Offen gesagt, liebe Leute von SlashCAM: Ich kann nur noch mit dem Kopf schütteln ...
Schon letzte Woche habe ich darauf hingewiesen, dass der Artikel eher als Aprilscherz dienen sollte. Ich dachte der Artikel wird korrigiert, als Aprilscherz gekennzeichnet oder schlicht gelöscht. Er steht aber nach einer Woche immer noch so da.
In dem Beitrag macht ihr gleich alle wesentlichen Fehler, die man im technischen Analysebereich nur machen kann. Zu diesen Fehlern mal sachlich:
1. Man kann eine reine Prosopektangabe nicht als Faktum zur Grundlage hernehmen
Zitat aus dem Artikel: "RED verspricht trotz relativ kleiner Sensor-Pixel einen beachtlichen Dynamikumfang von 16,5 Blendenstufen. Umschifft der Dragon-Sensor hier die Gesetze der Physik?"
Die RED-Dragon Kamera hat in vergleichbaren Tests (EBU/BBC Veröffentlichungen) nicht einmal 14 brauchbare Blendenstufen ergeben. ( siehe:
https://tech.ebu.ch/docs/tech/tech3335_s16.pdf )
Alle wesentlichen technischen Daten im Prospekt der RED-Dragon (80 dB Rauschabstand, 4k oder mehr Realauflösung, 16.5+ Blendenumfang) werden bei den Tests regelrecht in der Luft zerrissen. Diesen und andere Kameratests der EBU/BBC solltet ihr kennen. Ich habe bisher noch nicht einmal einen "billigen Internetvergleichstest" gesehen in dem der Blendenumfang der RED-Dragon die 14 Blendenstufen von ARRI optisch erreicht hat.
Deshalb kann man einer Firma wie RED überhaupt nicht trauen, dass in einem Prospekt praxisrealistische bzw. zu anderen Herstellerprospektangaben vergleichbare Werte stehen. RED ist für mich da noch schlimmer als VW im Automobil-Abgasbereich !!! - Deshalb traue ich RED nicht und würde solche Produkte niemals kaufen.
Andere Kameras wie z.B. die Canon C300 Mark-II erreichen in den EBU/BBC Tests wirklich die 15 Blendenstufen laut Prospektangabe. Canon hat bisher noch nie im Prospekt gelogen um Kunden zu fangen. (siehe:
https://tech.ebu.ch/docs/tech/tech3335_s18.pdf )
2. Man sollte die nötige Mathematik fehlerfrei beherrschen
Zitat aus dem Artikel: "Bildet man nun den Durchschnittswert aus den vier Messungen und multipliziert man diesen Wert wieder mit 4, mittelt sich das Rauschen statistisch gesehen heraus"
Wenn man über ein Belichtungsintervall z.B. 500 e- Ladungen misst, dann ist es egal ob ich diese Messung in 4 Teile zerlege, die Summe der Ladungen in dem Messintervall bleibt gleich. Da kann sich keine Intervallsumme oder Rauschen ändern.
Ladungen im Intervall (LI):
LI = 500 e- (Beispielswert zur Intervallmessung)
nun mit: LTx als gemessene Ladungen im Intervallteil x
Ihr schreibt, dass LT1 = LI/4 (also vier gleiche Intervallteile):
LI = LT1 + LT2 + LT3 + LT4 (in vier Intervallteile zerlegt)
dann mit vier gleichen Teile:
LT1 + LT2 + LT3 + LT4 = LI/4 + LI/4 + LI/4 + LI/4 = 4 * (LI / 4) = LI
Also ergibt sich zwangsläufig wieder LI mit 500 e- und so kann man niemals einen Summenunterschied über ein Intervall messen. Und dafür reicht einfache Hauptschulmathematik aus.
3. Man sollte keine offensichtlichen logischen/fachlichen Fehler machen
Zitat aus dem Artikel: "mittelt sich das Rauschen statistisch gesehen heraus"
Rauschen kann man nicht mit nur einer einzigen Messung feststellen, Rauschen ist nur durch den Vergleich mehrerer Messungen bzw. Messintervalle oder zum Originalwert möglich. Durch nur eine abgeschlossene Messung (ein Messintervall) ohne Originalwertkennung kann man niemals wissen ob es überhaupt Rauschen gibt, da jeglicher zeitlicher Vergleich bzw. Originalwertvergleich fehlt. Das sollte absolutes Grundwissen sein.
4. Man sollte einen technischen Artikel vor der Veröffentlichung auf Plausibilität überprüfen
Zitat aus dem Artikel: "Solange die Auslese-Verzögerungen nur kurz genug ausfallen kann man im selben Zeitfenster von 1/50s die gleiche Anzahl Elektronen mit mehreren kürzeren Belichtungen zählen"
Das ist doch logisch völlig unmöglich. Es gibt dann 4 Auslesepausen, damit hat man 3 Auslesepausen mehr als bei einer Auslesung. Da in den Auslesepausen die Lichtmessung/sammlung eben nicht stattfindet muss die Anzahl der gemessen Elektronen (e-) gegenüber einmaligem Auslesen sinken. Und damit muss auch das Rauschen steigen, da bei noch weniger Elektronen (e-) im schon dunklen Bereichen die Rauscheffekte der Poisson-Verteilung über die Zeit nachweislich steigen müssen. (siehe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Poisson-Verteilung )
Damit ist genau das Gegenteil eurer Schlussfolgerung korrekt:
Das Rauschen muss in den dunklen Bereichen steigen und nicht sinken wenn man mit mehrfachem Auslesen im Messintervall arbeitet.
Löscht einfach den Beitrag oder schreibt April April drunter, so etwas kann man doch nicht ernsthaft stehen lassen ...
Damit ich nicht nur als Kritiker da stehe noch etwas konstruktives zum Schluss:
Mann kann natürlich den Blendenumfang einer Kamera durch Zerlegung in mehrere Auslesungen/Teilmessungen im Messintervall steigern. Das ist auch relativ trivial, wie man schnell sieht.
Wenn man im Messintervall wirklich 4 mal ausliest, dann kann man den Blendenbereich um ca. 2 Blendenstufen erweitern. Dies ist deshalb möglich, da man 4 mal Full-well (= max. Ladungsmenge pro Sensorpixel) messen kann. Das 4-fache (2 hoch 2) an e- Ladungen entspicht 2 Blendenstufen.
Nur kann man damit kein Rauschen im dunklen Bereich beeinflussen, sondern nur in hellsten Bildteilen oberhalb der normalen Blendenstufen "ergänzen". Und es taugt nur da wo die Kamera noch deutlich mehr Bilder pro Sekunde zeitlich auflösen kann als das Aufzeichnungsformat später erfordert. Also: Bei höchster Auflösung z.B. 4k in 50p kann die Kamera das nicht mehr nutzen wenn das das Aufzeichnungslimit der Kamera ist. Bei 4k in 25p als Aufnahmeformat kann eine 4k/50p fähige Kamera dadurch theoretisch ca. eine Blendenstufe gewinnen, wenn man sonstige technische Probleme mal vernachlässigt.