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Rainer Werner Fassbinder



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Peppermintpost
Beiträge: 2535

Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von Peppermintpost »

Gestern Abend lief eine sehr lange Doku über Fassbinder, in der sehr viele seiner damaligen Weggefärten zu Wort gekommen sind. Alle sind sich einig, das er ein sehr schwieriger Mensch war, aber ein eizigartiger Künstler.

Fassbinder selbst hat gesagt, Er und Wenders seien die einzigen in Deutschland die begriffen haben wie Film hier funktionieren muss.

Das genau ist für mich des Pudels Kern, ich finde Fassbinder hat nichts begriffen, seine Filme sind der totale Horror Trip. Lili Marlen hab ich damals im Kino gesehen und fand ihn gut, Berlin Alexanderplatz fand ich ok, aber selbst Die Ehe der Maria Braun finde ich schon unerträglich, alles andere ist für mich noch nicht mal Hobby Filmerei, das wäre für mich schon eine Beleidigung gegenüber den ganzen Hobby Filmern.

Und Ihn als einen der besten Filmemacher zu bezeichnen ist ein Witz.
Wim Wenders, kann man mögen oder nicht, ist aber ein Handwerklich absolut perfekter Regisseur (was Fassbinder nicht mal ein klein wenig war) mit absolut einzigartigen Filmen (Paris, Texas oder Million Dollar Hotel)
Volker Schlöndorff mit Die Blechtrommel und Homo Faber ist unglaublich gut.
Wolfgang Petersen mit Das Boot , Die unendliche Geschichte, Outbreak, oder Troja ist der Hammer.
Würde ich jetzt noch Leni Riefenstahl und Fritz Lang dazu fügen hätte man die 5 besten Deutschen Regisseure zusammen.

Wer ist Fassbinder im Vergleich? Ein Nichts. Der Typ ist für mich die absolute Wurst, schlimmer gehts nimmer.
Kennt irgend jemand was von Fassbinder was sehenswert ist, oder geht es euch mit ihm genau so wie mir?
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dienstag_01
Beiträge: 13414

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von dienstag_01 »

Irgendwie hat das schon seine Richtigkeit, dass du in deiner Butze hockst und deine Zeit als VFX-ler verbringst ;)



Funless
Beiträge: 5484

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von Funless »

Auch wenn ich dafür gesteinigt werden sollte, aber Fassbinders Filme haben mir noch nie gefallen. Kein einziger. Ich fand' sie allesamt ermüdend, anstrengend, selbstverliebt und einfach nur schrecklich.

Für mich waren seine Filme irgendwelche Trips die aus einem missratenem Drogenrausch entstanden sind und wofür er dann auch noch von Gott und die Welt gefeiert wurde.

Wie gesagt, meine Meinung. Wer ihn toll findet, bittesehr viel Spaß weiterhin beim gucken seiner Werke.
Funless has spoken!

No Cenobites were harmed during filming.



Peppermintpost
Beiträge: 2535

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von Peppermintpost »

dienstag_01 hat geschrieben:Irgendwie hat das schon seine Richtigkeit, dass du in deiner Butze hockst und deine Zeit als VFX-ler verbringst ;)
;-) hab nie was anderes behauptet.
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Frank Glencairn
Beiträge: 22706

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von Frank Glencairn »

Funless hat geschrieben:.. aber Fassbinders Filme haben mir noch nie gefallen. Kein einziger. Ich fand' sie allesamt ermüdend, anstrengend, selbstverliebt und einfach nur schrecklich.

Für mich waren seine Filme irgendwelche Trips die aus einem missratenem Drogenrausch entstanden sind und wofür er dann auch noch von Gott und die Welt gefeiert wurde.
+1 - hätte ich nicht besser formulieren können.



Jensli

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von Jensli »

Ich habe gestern gesehen: Die Ehe der Maria Braun

Weshalb? Weil der Kameramann Michael Ballhaus war. Ich habe also versucht, vom Meister zu lernen und habe den Inhalt komplett an mir vorbeiziehen lassen, denn dieser war weder verständlich (Sinn) noch in irgendeiner Weise interessant.
Rainer Werner Fassbinder sitzt wahrscheinlich auf einer Wolke und lacht sich heute noch über die dämlichen Leute schlapp, die ihn zum Genie hochstilisiert haben. In meinen Augen einer der überschätztesten Filmemacher ever. Der einzige, der in dem o.g. Film geliefert hat, war Ballhaus. Naja, aber das war Perlen vor die Sä.e...



DWUA
Beiträge: 2126

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von DWUA »

Van Gogh war auch so ein Arschloch...



cantsin
Beiträge: 14145

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von cantsin »

Vor kurzem ist eine sehr gute Fassbinder-Kritik in der taz erschienen (aus der Feder von Popkritiker Diedrich Diederichsen): http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/arti ... 12%2Fa0101

Zitat daraus: "Formalisten findet man unter den großen Fassbinder-Verehrern weniger. Aber auch komplexer denkende Cinephile haben ihn nie sonderlich gemocht. In der 'Filmkritik' kam er kaum vor; für deren Autoren war er zu Lebzeiten eher ein Dialogregisseur zwischen TV und Theater, später Mainstream."

(Die "Filmkritik" war die intellektuelle Filmzeitschrift in den westdeutschen 60er und 70er Jahren.) Von dieser - und Eurer - Kritik würde ich aber den Film "Welt am Draht" klar ausnehmen. Die Geschichte, die er erzählt, ist "The Matrix", aber 26 Jahre früher, und sowohl von der Schauspielregie als auch visuell sehr gut umgesetzt.



domain
Beiträge: 11062

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von domain »

In der internationalen Kritik wurde er in höchsten Tönen gelobt, in Deutschland aber wegen seiner direkten Themen häufig angegriffen.
Ein Vollpfosten muss ja Michael Ballhaus gewesen sein, dass er nach Fassbinders 7. Spielfilm Whity nicht sofort die Zusammenarbeit einstellte, sondern in den folgenden 9 Jahren noch 15 Filme mit ihm produzierte.



thsbln
Beiträge: 1662

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von thsbln »

cantsin hat geschrieben: Von dieser - und Eurer - Kritik würde ich aber den Film "Welt am Draht" klar ausnehmen. Die Geschichte, die er erzählt, ist "The Matrix", aber 26 Jahre früher, und sowohl von der Schauspielregie als auch visuell sehr gut umgesetzt.
Hm, ich fand trotz der tollen Idee die Dialoge und Charaktere ganz schön hölzern (nicht so dümmlich wie die Weichei-Ikone in Matrix natürlich), aber vielleicht ist das auch seiner Theaterherkunft und der Zeit geschuldet, aber begeistert hat mich bisher auch nichts von ihm, soweit ich mich erinner kann etwas gesehen zu haben.
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Schleichmichel
Beiträge: 2221

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von Schleichmichel »

Die hölzerne Darstellung war intendiert. Ist keine Deutung von mir, auch wenn ich es so begriffen habe (in der Simulierten Welt verhalten sich alle noch hölzerner und in der Welt von Eva ist Fred deutlich gelöster). Wurde inzwischen von den Darstellern bestätigt, dass es genau darauf ankam.

Ich finde viele Fassbinderfilme sehr gut. Meine Lieblingsfilme sind WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE und SATANSBRATEN. ANGST ESSEN SEELE AUF ist ja nun auch ein ziemlich guter Film und MUTTER KÜSTERS FAHRT ZUM HIMMEL ist auch genial. DIE DRITTE GENERATION war so der letzte Fassbinder, der mir noch sehr gut gefallen hat. Nur im Fernsehen läuft andauernd der gleiche Kram von ihm, den finde ich nicht besonders gut.

Im zeitlichen Kontext haben die Filme natürlich eine weitaus höhere Bedeutung. Wir bräuchten heute an aktuelle Probleme angepasste Filme, denn die damaligen Probleme sind zum Teil nicht mehr die heutigen. Auch in der Form müsste man sich etwas anderes überlegen, um effektiv zu provozieren. Aber den Schneid, den Fassbinder mit seinen Filmen hatte, suche ich zumindest heute vergebens. Berliner Schule? Geh mir weg damit. Haneke trifft den Ton schon eher, wenns auch nicht direkt der deutsche Film ist.



domain
Beiträge: 11062

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von domain »

Aber Ulrich Seidl trifft noch mehr ins Schwarze, der analysiert aktuelle Entwicklungen und provoziert massiv mit seinen Filmen, wobei er als verkappter Fotograf stark auf die reine Macht von Bildern setzt und dann noch ungewöhnliche Handlungen in ihnen ablaufen lässt.
R. W. Fassbinder hätten seine Filme bestimmt gefallen.



Taklebarry
Beiträge: 32

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von Taklebarry »

Würde ich jetzt noch Leni Riefenstahl und Fritz Lang dazu fügen hätte man die 5 besten Deutschen Regisseure zusammen.
Mal so nebenbei bemerkt, Leni Riefenstahl war die größte Naziregisseurin unter Hitler, also spar dir deine Probs für sie...

Schaut euch mal bitte ANGST ESSEN SEELE AUF an und im Anschluss daran die Pressekonferenz einiger Beteiligten zum Film in Berlin an, als Fassbender bereits gestorben war.

Ihr werdet merken wie verdammt aktuell der Film noch immer, bezogen auf die aktuelle Flüchtlingsdebatte ist. Denn die Deutschen haben damals wie heute nichts gelernt und wer Filme macht, die nach 40 Jahren thematisch immer noch zeitgenössisch sind, der hat für mich wahres Können bewiesen.



thsbln
Beiträge: 1662

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von thsbln »

Schleichmichel hat geschrieben:Die hölzerne Darstellung war intendiert. Ist keine Deutung von mir, auch wenn ich es so begriffen habe (in der Simulierten Welt verhalten sich alle noch hölzerner und in der Welt von Eva ist Fred deutlich gelöster). Wurde inzwischen von den Darstellern bestätigt, dass es genau darauf ankam.
Ok, darauf hätte ich ja auch kommen können/sollen/müssen... danke. Seufz.

OT: habe mir gerade vor zwei Tagen nochmal den tollen 'Nordsee ist Mordsee' von Hark Bohm angeguckt, es ist schon traurig, was alles mal möglich w a r.
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marcofree
Beiträge: 15

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von marcofree »

Ich denke er sagt alles was zu sagen ist, in diesem Interview :)
" Der Film ist nicht so provinziell wie Ihr es seit "



Wenn es so etwas gibt wie den (guten) deuchschen Film ist er der Vater.
Ich denke so wird das auch international gesehen. http://www.imdb.com/title/tt0071141/
Zuletzt geändert von marcofree am Fr 29 Mai, 2015 10:16, insgesamt 3-mal geändert.



Peppermintpost
Beiträge: 2535

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von Peppermintpost »

Taklebarry hat geschrieben:
Würde ich jetzt noch Leni Riefenstahl und Fritz Lang dazu fügen hätte man die 5 besten Deutschen Regisseure zusammen.
Mal so nebenbei bemerkt, Leni Riefenstahl war die größte Naziregisseurin unter Hitler, also spar dir deine Probs für sie...

Schaut euch mal bitte ANGST ESSEN SEELE AUF an und im Anschluss daran die Pressekonferenz einiger Beteiligten zum Film in Berlin an, als Fassbender bereits gestorben war.

Ihr werdet merken wie verdammt aktuell der Film noch immer, bezogen auf die aktuelle Flüchtlingsdebatte ist. Denn die Deutschen haben damals wie heute nichts gelernt und wer Filme macht, die nach 40 Jahren thematisch immer noch zeitgenössisch sind, der hat für mich wahres Können bewiesen.
Also das Riefenstahl eine Nationalsozialistin war, oder zumindest eine Unterstützerin steht ja ausser Frage, das steht aber ja nicht im Wiederspruch zu ihrem Können als Regisseurin. Kaum ein Regisseur hat nachfolgende Generationen international so sehr und so nachhaltig beeinflusst wie Riefenstahl. Schau dir eine aktuelle Parfüm Werbung an und du findest ihre Bildsprache heute noch.
Wernher von Braun hat auch für die Nazis gearbeitet, dennoch war er ein aussergewöhnlicher Wissenschaftler. Politische Verblendung und Berufliche Qualifikation sind zwei verschiedene Dinge.

Aber zu Fassbinder. Ja "Angst Essen Seele auf" hatte ich vergessen, der gehört auch zu seinen besseren Filmen, ich glaube damals fand ich ihn sogar gut, was aber in aller erster Linie an der Leistung von Brigitte Mira liegt, die finde ich als Schauspielerin sensationell.
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Axel
Beiträge: 16252

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von Axel »

Peppermintpost hat geschrieben:Und Ihn als einen der besten Filmemacher zu bezeichnen ist ein Witz.
(...)
Wer ist Fassbinder im Vergleich? Ein Nichts. Der Typ ist für mich die absolute Wurst, schlimmer gehts nimmer.
Kennt irgend jemand was von Fassbinder was sehenswert ist, oder geht es euch mit ihm genau so wie mir?
Ich akzeptiere diese Auffassung, sage aber zu dir (und der überwältigenden Mehrheit): Dir entgeht etwas, du verpasst etwas.

Der Schlüssel ist der "historische Kontext". Das klingt jetzt hochtrabend, aber ich erläutere es kurz.

Wenn du dich in die Erwartungshaltung des Publikums zur Zeit des jeweiligen Filmstarts versetzt, welche Themen damals heiß waren, über was man noch gar nicht nachdachte und wie man sich selbst in dieser Umgebung wahrnahm, und dir dann vorstellst, du säßest mit anderen (Fassbinder-Filme lasteten meist nur kleine bis mittlere Säle aus, stell dir also ein Programmkino vor) in der Vorstellung, dann wirst du zumindest teilweise zu einem anderen Urteil kommen.

Nehmen wir als Beispiel den heute noch sehr ansehbaren "Angst essen Seele auf" von 1974. Welche Filme dazu in Konkurrenz liefen, kannst du zum Beispiel hier sehen.

Was daran auffällt:
1. Amerikanische Filme - zu dieser Zeit wenig "Großproduktionen" - kamen oft bis zu drei Jahre nach USA-Start in die deutschen Kinos. Es gab keine Raubkopierer (wie auch?). Es gab zwar Bestseller, aber auch Longseller. Kino hatte eine andere Wertigkeit.
2. Es gab eine ungeheure Bandbreite. Von Es juckt in der Lederhose bis Amarcord war alles vertreten. Und zwar in Bezug auf die deutschen Besucherzahlen relativ ausgewogen. Der Anteil des europäischen Kinos war wesentlich höher als heute.
3. Alle Filme, vom billigsten deutschen Sexploitation-Streifen bis zum hochdotierten europäischen Autorenfilm, definierten sich über den Inhalt, über die Brisanz oder Exklusivität der Geschichte (wobei man das, was als exklusiv und originell gilt, immer im o.g. "zeitlichen Kontext" sehen muss). Das traf auch auf amerikanische Filme zu.
4. Selbst als Trash bereits konzipierte Filme (deren subversive Kraft Tarantino besonders zu würdigen lernte) waren ein frischer Wind im Mief vorhergehender Jahrzehnte.
5. Der "Alte Deutsche Film" (die altbekannten, ihrerzeit gewinnträchtigen Rühmann-Vehikel beispielsweise) ist nicht mehr existent. Heute sehen wir mit Schweiger/Schweighöfer-Belanglosigkeiten eine Art, äh, Renaissance.

Als Alternative zum Kino gab es Fernsehen. Drei deutsche Programme. Sendeschluss mit Testbild "freitags und samstags" erst um ein Uhr nachts. Die deutsche Fernsehlandschaft: wo Fuchs und Hase die Pfoten über dem Kopf zusammenschlagen! Der autoritär auftretende Tagesschau-Sprecher konnte revoltierende Studenten (häh? was'n das?) als "Chaoten" bezeichnen. In dieser spießigen Atmosphäre (die aber eine Gegenbewegung hervorbrachte) liefen Fassbinders Filme.
Schleichmichel hat geschrieben:Die hölzerne Darstellung war intendiert. Ist keine Deutung von mir, auch wenn ich es so begriffen habe (in der Simulierten Welt verhalten sich alle noch hölzerner und in der Welt von Eva ist Fred deutlich gelöster). Wurde inzwischen von den Darstellern bestätigt, dass es genau darauf ankam.
Der kleine, dicke, schwule, kokainsüchtige Fassbinder hatte gewiss seine Probleme. Mit einem hatte er frühzeitig abgeschlossen: die öffentliche Meinung zu respektieren. Die hölzernen Dialoge verstand ich immer in einem Loriot-Sinn. In einem gesellschaftlichen Klima, in dem Obrigkeitsgehorsam und komplette Verweigerung aufeinanderprallten, entlarvte Fassbinder Sprache und Verhalten seiner Mitmenschen als unecht, dümmlich, nachgeplappert. Und feindlich. Eine alte, traditionell erzogene Putzfrau und ein jüngerer schwarzer Gastarbeiter (oder war er Asylant?) verlieben sich, eine klare Utopie. Ihre Verständigung ist problematisch, und zumal die deutsche Alltagssprache hilft wenig. Die Umwelt reagiert, indem sie mit zunehmender Raffinesse die Beziehung zerstört.

Das war inhaltlich stark. Und seinerzeit verstand eine ziemlich breite Schicht in der Bevölkerung die Kampfansage und diskutierte darüber.

Fassbinders Filme sind für heutiges Publikum unansehbar. Das habe ich schon früher geschrieben. Es gab aber nichts Vergleichbares. In Easy Riders, Raging Bulls (Buch über das amerikanische Kino der 60er und 70er) sagt Coppola (oder war es Scorsese? Ich weiß es im Moment nicht und bin zu faul, nachzuschlagen): Ich traf in Cannes mit Fellini und Fassbinder zusammen. Da wusste ich, dass ich es geschafft hatte.

Und heute? Es gibt ein paar Österreicher, die den Finger in die Wunden legen. Es gibt keine relevanten deutschen Förderfilme. Mit Fassbinder begann und endete vertretbare deutsche Filmförderung. Er machte sehr viele Filme, und es waren sparsame Projekte. Er selbst schilderte, wie er versuchte, mit den kleinen Budgets hinzukommen und seinen privaten Förderern ihr Geld zurückzahlen zu können. Das gelang ihm als einem der wenigen zu der Zeit. Darum wurde er "Motor des Deutschen Films" genannt.

Vielleicht ist ein publikumsträchtiger Film, der zugleich relevante Themen aufgreift, die berühmte Quadratur des Kreises. Vielleicht. Mir fällt aber kein Grund ein, warum sich beides ausschließen sollte.
Zuletzt geändert von Axel am Fr 29 Mai, 2015 10:15, insgesamt 1-mal geändert.



RDG
Beiträge: 58

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von RDG »

geht mir ähnlich, ich kann wenig mit Fassbinders Meisterwerken anfangen, sie langweilen mich einfach.
Wäre er noch am Leben, würde es ihm selber vielleicht auch so gehen?



dienstag_01
Beiträge: 13414

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von dienstag_01 »

Axel hat geschrieben:Fassbinders Filme sind für heutiges Publikum unansehbar.
Vor vier, fünf Jahren hab ich Faustrecht der Freiheit vor Studenten vorgeführt (keine Filmstudenten). Die ersten Reaktionen waren so, wie du beschreibst, Kichern, Fremdschämen, die ganze Palette. Ich bin dann raus gegangen, wollte mir das nicht antun. Als ich kurz vor Ende des Films wieder zurückkam, war es mucksmäuschenstill. Und auch danach sagte keiner einen Ton. Warum? Sie hatten einen Kloß im Hals, alle.
Tränen hab ich auch gesehen.

Die hatten vorher von Fassbinder noch nie was gehört. Darüber sollte man sich auch mal klar werden. Mich hat das damals überrascht.



Peppermintpost
Beiträge: 2535

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von Peppermintpost »

Hallo Axel,

wie immer bei deinen Beiträgen hast du auch hier einige interessante Gedanken mit dabei. Ja ich gebe dir natürlich Recht, das Filme auch immer im Kontext ihrer Zeit stehen, und das man diesen Kontext auch einbeziehen muss wenn man Filme beurteilt. Die Phase der Deutschen Sexfilmchen wovon einer sogar einen Bambi bekommen hatte weil er zu der Zeit der erfolgreichste Deutsche Film des Jahres war hatte ich schon fast verdrängt.

Was den politischen Kontent von Fassbinder angeht, da finde ich durchaus das er Themen angesprochen hat die wichtig waren. Ich verurteile auch keines falls, das er sich gegen das Politische und Soziale Estabishment gewendet hat, im Gegenteil.

Film beinhaltet für mein Verständniss aber immer 2 Komponennten, das eine ist sicher die Künstlerische, die bei Fassbinder natürlich sehr ausgeprägt war, aber Film ist auch eine Handwerkliche Komponennte, und die war schlicht unter aller Sau.

Ich will nicht nur nach Hollywood schauen, selbst Filme aus Deutschland hatten bis dato doch schon eine wesentlich höhere Quaitätsstufe erreicht. Das die Lederhosen Filme der Zeit auch nicht das gelbe vom Ei waren ist dabei ja irrelevant, die werden ja heute auch nicht als Meisterwerke betrachtet, sondern als das was sie waren, billig produzierter Schrott zur Massenbelustigung.
Aber wenn ich z.B. nur an Rühmann Filme denke, die waren unglaublich gut. Also in den 70ern wurde das Kino und das Medium Film ja nicht entdeckt, zu dem Zeitpunkt wurden hatte Film ja schon mehrere Jahrzehnte Entwicklung durchschritten, und Fassbinder macht Filme die das kompl. ignorieren. Er macht keine Filme die einen anderen Weg gehen, sondern entweder er ignorriert wie Film funktioniert, oder er hat schlicht keine Ahnung wie Film funktioniert.
Wenn ich mir Filme ansehe von Amateuren, die vorher noch nie etwas gedreht haben, dann entdecke ich sehr viele Parallelen zu Fassbinder Filmen, dadurch erhärtet sich mein Verdacht, Fassbinder hat nicht ignoriert, sondern schlicht keine Ahnung. Und seine späteren Filme (wobei Angst essen Seele auf ja schon zu seinen späteren Filmen gehört) werden ja dann auch immer ansehnlicher, was für mich darauf hindeutet, das er einfach über die Jahre gelernt hat wie Filmemachen funktioniert. Klar auch wenn ich den untallentiertesten 20 Jahre Filme machen lasse wird er irgendwann mal begreifen was man machen muss.

Du hast die Liste gepostet was in dem Monat noch ins Kino kam, und das waren keine Highlights, da gebe ich dir recht, aber nur um mal die Relationen zu zeigen wie in den 70ern Filme ausgesehen haben.

Einer flog übers Kuckucksnest
Pate
Clockwork Orange
Chinatown
Apocalypse Now
Manhatten
Herold and Maude
Blechtrommel
Marathon Mann
Papillon

Jeder einzelne ist ein Klassiker, ein Meisterwerk und gehört zu den Filmen die man gesehen haben muss wenn man in der Branche arbeitet.
Ich finde jeder einzelne ist Lichtjahre von Fassbinder entfernt. Deswegen ist Fassbinder auch im Kontext der Zeit einfach nur irgend ein Filmemacher, aber kein Meister. Im direkten Vergleich zu den Meisterwerken seiner Zeit wirkt er mehr wie ein 3 Jähriger mit Fingerfarben. Das finden einige natürlich auch charmant, würden es aber nicht auf eine Stufe mit Picasso stellen.
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Niko M.
Beiträge: 312

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von Niko M. »

Vom Ausland wurden "diese Filme" als sehr (zu?) selbstbewusst und intellektuell wahrgenommen. Wenig unterhaltend. (Geht mir auch so)

"typisch deutsche" Eigenschaften ? - die aber gerade dabei sind sich zu ändern, und mehr und mehr "amerikanisch" werden ?
(siehe "Waren wir früher auch so ... ?")



Axel
Beiträge: 16252

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von Axel »

Peppermintpost hat geschrieben:Deswegen ist Fassbinder auch im Kontext der Zeit einfach nur irgend ein Filmemacher, aber kein Meister. Im direkten Vergleich zu den Meisterwerken seiner Zeit wirkt er mehr wie ein 3 Jähriger mit Fingerfarben. Das finden einige natürlich auch charmant, würden es aber nicht auf eine Stufe mit Picasso stellen.
Naja, ein Filmemacher, der wohl unbestreitbar sehr persönliche Filme machte, die genügend starke Figuren und Geschichten hatten, um auch mir (dienstag_01) einen Kloß im Hals zu machen. Das ist nicht nichts. Auch 2015 nicht.

Ich stelle mir auch gerne vor, das Publikum von 1933 hätte Peter Jacksons King Kong gesehen. Eine ähnliches Gedankenspiel von mir rankt sich um Fassbinder und Peter Jackson. Was wäre gewesen, wenn Fassbinder Ende der 60er Jahre einen Blick in die Zukunft hätte tun können? Wenn er gewusst hätte, wie ungeliebt seine Filme heute wären? Wenn er die unvorstellbaren Massen gesehen hätte, die in Herr Der Ringe rannten? Wenn er, als Einziger mit diesem Vorwissen gesegnet, mit jackson'scher Sturheit seinen Massenerfolg geplant hätte?

Dass er dem nicht abgeneigt war, allem hier beklagten geringen production value seiner Filme zum Trotz, zeigen diverse Aussagen in Interviews, mit dem Grundton, er wolle die Massen erreichen.

Es sind ein bisschen viele Wenns, und vielleicht hätte er es auch schlicht nicht gekonnt. Spielt auch keine Rolle. Entscheidender, imo, dass wir sowohl Fassbinders ollen Amateurkram kennen als auch Jacksons Popcorn-Rezept (beide Begriffe mit Augenzwinkern).



Peppermintpost
Beiträge: 2535

Re: Rainer Werner Fassbinder

Beitrag von Peppermintpost »

@Axel

ja, das man speziel als Deutscher Filmemacher die Werke von Fassbinder kennen sollte, da bin ich absolut deiner Meinung. Ich würde auch keinesfalls behaupten Fassbinder ist nicht deusches Kulturgut. Allerdings bin ich der Meinung das auch die Lederhosen Filme Deutsches Kulturgut sind. der Begriff Kulturgut ist ja zunächst einmal nicht wertend. Schweinshaxen und Massbier gehören ja auch dazu, so sind wir nunmal. ;-)

Wir kommen bei Fassbinder nicht richtig zusammen Axel, deine Meinung dazu schätze ich dennoch.
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