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TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?



Anschluss eines Videorecorders, Fragen zu TV-Karten, DVB-T, einem PC fürs eigene Mediacenter, ...
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acrossthewire
Beiträge: 940

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von acrossthewire »

Skeptiker hat geschrieben:
Doch, die Story fand ich bis zum bitteren Ende (das für mich überraschend war) spannend. Ob sie auch originell (im Sinne von 'original') war, kann ich mangels Tatort- und Krimi-Überblick nicht beurteilen. Aber ich fand sie - unabhängig davon, ob man nun als Kinokenner Filmzitate entdeckt hat oder nicht (der Bösewicht in weissem "Tropen-Leinen" erinnerte mich etwas an Kinski in Fitzcarraldo) - aussergewöhnlich dramatisch
Also ehrlich - in dem Moment wo der Sohn auftaucht und man von der Ménage à trois wusste war klar wo es hinläuft (nach ca. 20min). Bei den Regenwaldszenen sah ich immer das Alfred Brehm Haus vor meinem inneren Auge (so was ähnlich war es vermutlich auch). Und ja einen gewissen Stilwillen würde ich der Produktion auch bescheinigen aber im Gegensatz zu tarantino filmen gelang es mir hier nicht die ganzen Unwarscheinlichkeiten zu ignorieren und mich von der Inszenierung gefangennehmen zu lassen.
Be Yourself. Everyone else is already taken
Oscar Wilde



Skeptiker
Beiträge: 5874

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Skeptiker »

acrossthewire hat geschrieben:... in dem Moment wo der Sohn auftaucht und man von der Ménage à trois wusste war klar wo es hinläuft (nach ca. 20min). ...
Mir mangelt es offensichtlich an Erfahrung mit 'Dreierkisten' :-(
acrossthewire hat geschrieben:... Bei den Regenwaldszenen sah ich immer das Alfred Brehm Haus vor meinem inneren Auge (so was ähnlich war es vermutlich auch) ...
Ein Filmteam in Bolivien hätte wohl das Budget gesprengt (aber '2nd Film Unit / Bolivia' hätte sich auf jeden Fall gut im Abspann gemacht).
acrossthewire hat geschrieben:... Ja einen gewissen Stilwillen würde ich der Produktion auch bescheinigen aber im Gegensatz zu tarantino filmen gelang es mir hier nicht die ganzen Unwarscheinlichkeiten zu ignorieren und mich von der Inszenierung gefangennehmen zu lassen. ...
Mir gelang das.

Vielleicht liegt es daran, dass ich Tarantino konsequent ignoriere, weil er mir unsympathisch ist (seine platte Aussage in einem Zeitungsinterview 'ich finde Gewalt einfach geil' hat mich vor langer Zeit zu sehr genervt).
Man steckt manchmal fest in der eigenen Haut, und statt Mainstream-gängig ist man plötzlich nur noch ein Film-Banause. Aber immerhin noch bei sich.
Zuletzt geändert von Skeptiker am Mo 20 Okt, 2014 15:21, insgesamt 1-mal geändert.



schesch
Beiträge: 150

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von schesch »

Mir gefiel der Film von der Bild-Ästhetik sehr gut. Die Ausflüge ins Theater sind interessant. Das ständige Spannungserzeugen durch Schuss- und anderen Waffen ist aber natürlich ein Anzeichen für sehr traditionelles einfaches Denken beim Drehbuchschreiben, dem ich nicht anhänge. Kann ja sein dass eine gewisse Gruppe von Menschen so simpel denkt. Mir ist es aber um 3 Ecken lieber ;). Deshalb auch nur die Gesamtnote 6 von 10.



iasi
Beiträge: 24217

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von iasi »

nur mal als Beispiel:

Das rote Lichtchen ist ja nett und schön, aber eben doch auch etwas zu selbstverliebt überzogen ... ganz so wie die Kamerafahrt beim Dialog auf der Parkbank - da denkt man leider oft: Wozu? - zumal es auffällig und dadurch ablenkend ist ...

Aber dennoch: Man bemerkt die Mühe und den Willen, mal etwas anderes zu versuchen.

Der so hoch stilisierte Böse erweist sich jedoch schon bald als eher platt und sein Motiv am Ende sehr konstruiert und wenig intelligent. Aber wie schon gesagt: Schon der Versuch ist sehr löblich.
Und einige gute Momente sind den Machern eben doch auch gelungen.



Skeptiker
Beiträge: 5874

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Skeptiker »

iasi hat geschrieben:Im Vergleich zum üblichen Tatort-Einerlei mag sich dieser Tatort zwar herausheben, aber das macht ihn sicherlich noch lange nicht zum Meisterwerk, geschweige denn zu einem Kinofilm der TV-Film auf internationalem Niveau.

Die Liste der Dinge, die man durchaus beängeln kann, ist nicht eben kurz - und auch die Story ist alles andere als wirklich originell, stimmig und/oder intelligent.
Ok, heute bin ich zum Streiten aufgelegt:
Was ist ein 'TV-Film auf internationalem Niveau'?
Welche Inter-Nationen werden dabei berücksichtigt?
USA, GB, Frankreich?
Oder auch Rumänien, Aserbaidschan, Turkmenistan oder Tadschikistan?
Und wie allgemeingängig muss er sein, dass er sich 'international' nennen darf?

Versuchen wir's anders: Das Gegenteil wäre national.
Also keine Chauvinismen, keine Heimatklänge, keine Gebietsverbundenheit, Geborgenheit, Vertrautheit, Eigenwilligkeit aber vielleicht auch Enge, Borniertheit, Feindseligkeit,
Doch gab's da nicht Edgar Reitz' vielgelobte TV-Serie 'Heimat'?. Vielleicht sogar auf internationalem Niveau (Zitat Wikipedia: Heimat fand – ebenso wie Die Zweite Heimat – auch international große Beachtung)? Wie passt das nun wieder zusammen?

Zum 2. Punkt: "Die Liste der Dinge, die man durchaus bemängeln kann, ist nicht eben kurz".
Wie hätte man's denn bitte machen sollen?
Schimanski reloaded?
Mehr Lokalkolorit (und damit weniger international)? Ruhigerer Aufbau? - Das gab's doch alles schon!
Weniger Tote und weniger Blut? Ja, darüber kann man mit Recht streiten.
Andererseits werden die Toten mit jedem James Bond auch nicht weniger, sie werden nur weniger akribisch gezählt, und würden sie ganz fehlen, wäre der Film vielleicht 'ohne (internationale) Durchschlagskraft & Dynamik' und Bond ohne seinen 'Killerinstinkt' nur ein weiteres 'Weichei' von vielen.

Zum 3. Punkt: "und auch die Story ist alles andere als wirklich originell, stimmig und/oder intelligent".
Was ist denn originell, stimmig und intelligent im Zusammenhang mit einem Tatort-Krimi? Und überhaupt?
Darüber gehen doch die Meinungen der Zuschauer so weit auseinander, wie hier im Forum die der Beitrags-Poster über Final Cut X (das - wir konnten es mit fassungslosem Staunen zur Kenntnis nehmen - jetzt sogar bei einer internationalen Produktion eingesetzt wurde).

Stimmig? Für wen soll es den stimmen? Und wie?
Originell? Geht das überhaupt noch, ist nicht alles schon mal dagewesen, irgendwie?
Intelligent? Was heisst das? Unverständlich? Elitär? Akademisch? So verschachtelt, dass man den Überblick verliert? Und dann statt 'ich bin wohl zu blöd' zu sich selbst sagt: 'Der Film ist aber intelligent!'?

Was ich damit sagen will: Das alles bleiben Worthülsen - 'blown in the wind', solange man sie nicht mit konkretem Inhalt füllt.
schesch hat geschrieben:... Das ständige Spannungserzeugen durch Schuss- und anderen Waffen ist aber natürlich ein Anzeichen für sehr traditionelles einfaches Denken beim Drehbuchschreiben, dem ich nicht anhänge. Kann ja sein dass eine gewisse Gruppe von Menschen so simpel denkt. ...
Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Spannung durch Waffen erzeugt wurde.
Die wurde eher gebündelt durch den irren Blick des Rächers und die Tatsache, dass man nicht wusste, welche Teufelei er als nächstes aushecken und umsetzen würde. Und der arme Tukur wusste es jeweils auch nicht, obwohl er gedanklich tief im Kopf des unwillkommenen Freundes aus gemeinsamer Vergangenheit steckte und sogar zu 'dessen' Profikiller-Sohn ein erstaunliches Sympathie-Verhältnis aufgebaut hatte, das ihm selbst ein Rätsel war.
Gerade lief am TV der zweite Teil 'The Dark Knight' aus Nolans Batman-Trilogie. Simple Story - Gut gegen Böse, aber der Gute ist nicht ganz gut und der Böse nicht nur böse. Den brutalen 'Trick' des Jokers, einen Bleistift verschwinden zu lassen würde ich mit Harloffs 'Zaubertrick mit roten Punkt' gleich setzen.

Womit wir beim nächsten Punkt wären:
iasi hat geschrieben:... Das rote Lichtchen ist ja nett und schön, aber eben doch auch etwas zu selbstverliebt überzogen ...
Ja.
Ja, und?
iasi hat geschrieben:... ganz so wie die Kamerafahrt beim Dialog auf der Parkbank - da denkt man leider oft: Wozu? - zumal es auffällig und dadurch ablenkend ist ...
Also sollte ein Film weder zu auffällig noch ablenkend sein.
Am besten sachlich wie die Tagesschau.
Aber halt, dann kommen doch die Stimmen, die meinen: 'es war so öde, ich musste nach 10 Minuten abstellen', 'typisch deutsch', ''zum Fremdschämen', 'sie können's einfach nicht', 'GEZ-finanziert kann das ja nicht funktionieren - diese TV-Bürokraten können uns doch jeden Mist vorsetzen!', 'ideenlos, saftlos, fade, eine Katastrophe!'.
iasi hat geschrieben:... Aber dennoch: Man bemerkt die Mühe und den Willen, mal etwas anderes zu versuchen. ...
Aha. Doch noch milde gestimmt. Aber so, wie wenn im Arbeitszeugnis steht: "Er hat sich stets bemüht, ..."
iasi hat geschrieben:Der so hoch stilisierte Böse erweist sich jedoch schon bald als eher platt und sein Motiv am Ende sehr konstruiert und wenig intelligent.
Der skrupellose Bösling war etwas eindimensional, das stimmt.
Aber es standen 90 Minuten zur Verfügung, und man musste abwägen, wieviel Kunst-Krimi und wieviel Psychothriller darin unterzubringen war. Und hat sich beschränkt auf weniger, aber das dafür solide konstruiert und erzählt.
James Bond, Seven, das Schweigen der Lämmer, The Dark Knight, Tarantino und noch Fitzcarraldo in einem wird hingegen schwierig.
iasi hat geschrieben:...Aber wie schon gesagt: Schon der Versuch ist sehr löblich.
Und einige gute Momente sind den Machern eben doch auch gelungen.
Klingt nicht wirklich begeistert und auch nicht gerade begeisternd.

Dann will ich mal aufs Ganze gehen und einen Kontrapunkt zum allgemeinen Gemäkel setzen:
9 von 10 Punkten für den Mumm von Autoren und Regie (und sonstigen Verantwortlichen) das so umzusetzen, und für das überzeugende Reinknien der Akteure in ihre Rollen, für den sorgfältigen Story- und Szenenaufbau, für die Kadragen des Kameramanns und für die mutige, scheinbar 'antiquierte' Musikauswahl und deren Live-Einspielung.
Einen Punkt Abzug gibt's für die vielen Toten und die Unmengen Theaterblut.

Vielleicht ist das Problem in DE weniger, dass man's einfach nicht (mehr) kann, sondern das alles bis in die Atome zerredet wird und nur selten jemand (hoffentlich ein Könner) den Mut und die Stirn hat zu sagen: 'So schwebt uns das vor und so machen wir's jetzt - Punkt!'.


Nachträgliche Änderung:
"... für die Kadragen des Kameramanns ..."
ergänzt zu
"... für die Kadragen des Kameramanns inkl. Bokeh und Kino-Look ..."
Zuletzt geändert von Skeptiker am Sa 25 Okt, 2014 23:37, insgesamt 1-mal geändert.



iasi
Beiträge: 24217

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von iasi »

international - eben im Sinne von: Wo nimmt man den Film wahr und wo wird er gezeigt und gesehen.
Wie steht er im Vergleich zu Produktionen aus anderen Ländern da.
"Sherlock" ist z.B. doch noch von einer anderen Qualität, als dieser Tatort.

Mängel - sieht man sich die Umsetzung und die Story an, so findet man durchaus Kritikpunkte. Dabei meine ich gar nicht die Zahl der Toten und die Menge des Blutes - damit hab ich keine Probleme, solange es die Handlung erfordert und gut umgesetzt ist (die Umsetzung war hierbei auch nicht ohne Makel).

Story: Das Rache-Motiv, die konstruierte Form der Rache, der behauptete Einfluss des Bösen, die feisten Schlägertruppen, der wenig originelle Scharfschütze, ...

Auffällig und ablenkend: wenn die Kamera den Zuschauern bewußt wird, ist er raus aus der Handlung - dann arbeitet die Kamera gegen die Handlung. Zeitökonomie ist hier eben auch wichtig: die Sniper-Lichtchen-Spielerei ist so offensichtlich stilisiert, dass sie eben auch so manchen Zuschauer an die Macher des Filmes denken lässt und sie dadurch aus der Handlung reisst.



Frank Glencairn
Beiträge: 22703

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Frank Glencairn »

Kaum zu glauben, iasi und ich sind exakt einer Meinung.

Rot im Kalender anstreich.



Axel
Beiträge: 16252

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Axel »

iasi hat geschrieben:Auffällig und ablenkend: wenn die Kamera den Zuschauern bewußt wird, ist er raus aus der Handlung - dann arbeitet die Kamera gegen die Handlung. Zeitökonomie ist hier eben auch wichtig: die Sniper-Lichtchen-Spielerei ist so offensichtlich stilisiert, dass sie eben auch so manchen Zuschauer an die Macher des Filmes denken lässt und sie dadurch aus der Handlung reisst.
Erstklassig formuliert, und sehr wahr. Ein Gespräch unter Kollegen auf dem Flur: Klar, Steadicam rückwärts (hieß das nicht "Don Juan"?), bzw. demnächst brushless gimbal. Warum? Ist einfach die naheliegende Kameraarbeit. Ominöser körperloser PoV? Mätzchen für Musikvideos.



dienstag_01
Beiträge: 13413

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von dienstag_01 »

Axel hat geschrieben:Mätzchen für Musikvideos.
Dann ist wohl ein Erzähler/Komentator im Film auch MÄTZCHEN?
Oder doch eher FORM?
Grübel ;)



iasi
Beiträge: 24217

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von iasi »

dienstag_01 hat geschrieben:
Axel hat geschrieben:Mätzchen für Musikvideos.
Dann ist wohl ein Erzähler/Komentator im Film auch MÄTZCHEN?
Oder doch eher FORM?
Grübel ;)
Eigentlich ist ein Erzähler eher kein gutes Zeichen, denn er signalisiert, dass der Film es nicht vermag mit filmischen Mitteln allein die Geschichte zu erzählen - aber generalisieren sollte man eigentlich möglichst nie ...
Die Frage ist: Welchen Sinn und Zweck erfüllt der Erzähler?



eko

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von eko »

generell:

Kritik bleibt halt auch nichts anderes als eine Art Sport,solange man selbst noch nichts unantastbares zustandegebracht hat.



iasi
Beiträge: 24217

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von iasi »

eko hat geschrieben:generell:

Kritik bleibt halt auch nichts anderes als eine Art Sport,solange man selbst noch nichts unantastbares zustandegebracht hat.
nein - man muss nicht selbst der Koch sein, um beurteilen zu können, ob das Essen versalzen oder lecker ist.



Axel
Beiträge: 16252

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Axel »

iasi hat geschrieben:Eigentlich ist ein Erzähler eher kein gutes Zeichen, denn er signalisiert, dass der Film es nicht vermag mit filmischen Mitteln allein die Geschichte zu erzählen - aber generalisieren sollte man eigentlich möglichst nie ...
Generalisieren sollte man (das generalisierteste Wort der deutschen Sprache, ein gewissermaßen entpersonalisiertes Personalpronomen, im Massengrab sieht man sich wieder!) generell nicht. Es gibt halt auch gute Filme mit Off-Erzähler. Es gibt auch gute Filme mit "grip" (Anne Nerven), mit Dollyshots im "Auge Gottes" - Modus, dem oben kritisierten Mätzchen. Einer davon war jahrzehntelang auf den meisten Listen der 100 Meisterwerke des Kinos Nummer eins: Citizen Kane.
iasi hat geschrieben:Die Frage ist: Welchen Sinn und Zweck erfüllt der Erzähler?
Stanley Kubrick sagte mal, um handlungswichtige Informationen zu liefern, die als Handlung selbst aber langweilig wären, wären drei, vier Erzählersätze weitaus effektiver - und insofern filmischer. Er selbst ließ Lolita nicht vom Protagonisten erzählen (wie es der wirklich tolle Roman nahelegt), und das Original-Drehbuch des Romanautors sah viele Welles'sche Kameramätzchen vor, die Kubrick alle strich.

Sein Film A Clockwork Orange wurde vermutlich wegen seines Ich-Erzählers ein Erfolg. Mit seiner frechen Ehrlichkeit überrumpelt er das Publikum.

Diesen Tatort muss ich mir jetzt aber mal ansehen!



Skeptiker
Beiträge: 5874

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Skeptiker »

iasi hat geschrieben:... Auffällig und ablenkend: wenn die Kamera den Zuschauern bewußt wird, ist er raus aus der Handlung...
In diesem Fiilm wird der Zuschauer von Anfang bis Ende immer wieder aus der Handlung gezogen. Zu dieser Distanz trägt der sichtbare wie der unsichtbare Kommentator bei.
Überdeutlich dadurch, dass der soeben noch tot Daliegende in einer späteren Szene die Verwüstung nach der 'Schlacht' live im Bild kommentiert und ganz am Ende auch das Schlusswort hat, bevor er 'ins Bild einsteigt', womit sich der Rahmen zum Beginn schliesst.
iasi hat geschrieben:... - dann arbeitet die Kamera gegen die Handlung. ...
Mag nach Lehrbuch alles stimmen, hier wird es teils als Stilmittel eingesetzt und ist beim Dialog auf der Parkbank - wenn sich die Kamera mit einsetzender Off-Stimme von den Beiden löst und dann aus dem Baumwipfel wieder herabschwebt - auch auf die Musik abgestimmt.

Vielleicht ein wenig damit vergleichbar, wie wenn zur aktuellen Szene eine Filmmusik erklingt, und die Kamera dann von dieser Szene weg auf das Orchester schwenkt, das sie spielt. So weit geht der Bruch hier aber nicht, die entschwebende Kamera steht einfach für die scheinbar sorglos verstreichende Gesprächszeit (entprechend ist die Musik und sind die Bilder!), die aus dem Off kommentiert wird, bis sich die zwei Freunde/Feinde per Handschlag vorläufig wieder verabschieden.
iasi hat geschrieben:... Zeitökonomie ist hier eben auch wichtig: die Sniper-Lichtchen-Spielerei ist so offensichtlich stilisiert, dass sie eben auch so manchen Zuschauer an die Macher des Filmes denken lässt und sie dadurch aus der Handlung reisst. ...
Das ist so ähnlich wie im Western, wenn vor dem Duell noch Blicke oder Worte gewechselt werden. Trotzdem ist die Lichtpunkt-Szene etwas zu lang geraten.

Und wie gesagt, dieses Herausreissen gehört dazu - das ist griechische Tragödie mit Chor (von Woody Allen in 'Mighty Aphrodite' verwendet) bzw. Brecht'sches Theater mit Illusionsbruch (durch Kommentar), der bereits in der Anfangsszene beginnt.

Axel hat geschrieben:...Diesen Tatort muss ich mir jetzt aber mal ansehen!
Das wäre bestimmt hilfreich für die weitere Diskussion ;-)
Zuletzt geändert von Skeptiker am Mo 20 Okt, 2014 16:15, insgesamt 1-mal geändert.



Axel
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Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Axel »

Ne, dieses Zeug konnte ich mir nicht lange reinziehen. Das Schweigen der Lämmer, Spiel mir das Lied vom Tod, schamlos abgekupfert. Lug und Trug, Filmquiz:
"Einspruch, Euer Ehren!"
"Begründung?"
"Äh, Gedichtvortrag ..."

Aber bei Beethoven 7. Sinfonie, 2. Satz musste ich an einen wirklich gelungenen Tatort denken, mit gutem, schwarzhumorigem Drehbuch und guten, motivierten Darstellern. Lohnt sich, versprochen:



Skeptiker
Beiträge: 5874

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Skeptiker »

Axel hat geschrieben:Ne, dieses Zeug konnte ich mir nicht lange reinziehen. Das Schweigen der Lämmer, Spiel mir das Lied vom Tod, schamlos abgekupfert. Lug und Trug, Filmquiz: ...
Zu früh geurteilt und damit ein Vor-Urteil!
Dann einfach weiter mit 'Kubrick hat mal gesagt' und der Filmtheorie!



iasi
Beiträge: 24217

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von iasi »

Skeptiker hat geschrieben:
iasi hat geschrieben:... - dann arbeitet die Kamera gegen die Handlung. ...
Mag nach Lehrbuch alles stimmen, hier wird es teils als Stilmittel eingesetzt und ist beim Dialog auf der Parkbank - wenn sich die Kamera mit einsetzender Off-Stimme von den Beiden löst und dann aus dem Baumwipfel wieder herabschwebt - auch auf die Musik abgestimmt.

Vielleicht ein wenig damit vergleichbar, wie wenn zur aktuellen Szene eine Filmmusik erklingt, und die Kamera dann von dieser Szene weg auf das Orchester schwenkt, das sie spielt. So weit geht der Bruch hier aber nicht, die entschwebende Kamera steht einfach für die scheinbar sorglos verstreichende Gesprächszeit (entprechend ist die Musik und sind die Bilder!), die aus dem Off kommentiert wird, bis sich die zwei Freunde/Feinde per Handschlag vorläufig wieder verabschieden.
Es sind die Fahrten während des Dialogs im Schuss-Gegenschuss, die manchmal auch unterbochen sind - da fragte ich mich nach dem Grund, denn sie unterstützen nicht, sondern sind eher dazu geeignet, vom Dialog abzulenken - oder war das Gesprochene etwa so belanglos, dass man dem Dialog gar nicht folgen musste?

Ein unterschwelliges, langsames Heranfahren auf die Personen hätte z.B. einen ganz anderen Effekt gehabt - aber doch bitte nicht dieses Umkreisen ...



dienstag_01
Beiträge: 13413

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von dienstag_01 »

iasi hat geschrieben:Ein unterschwelliges, langsames Heranfahren auf die Personen hätte z.B. einen ganz anderen Effekt gehabt
Is nich möglich! ;)



iasi
Beiträge: 24217

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von iasi »

dienstag_01 hat geschrieben:
iasi hat geschrieben:Ein unterschwelliges, langsames Heranfahren auf die Personen hätte z.B. einen ganz anderen Effekt gehabt
Is nich möglich! ;)
doch - und siehste: da hast´e sogar noch was gelernt



Skeptiker
Beiträge: 5874

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Skeptiker »

iasi hat geschrieben:Es sind die Fahrten während des Dialogs im Schuss-Gegenschuss, die manchmal auch unterbochen sind - da fragte ich mich nach dem Grund, denn sie unterstützen nicht, sondern sind eher dazu geeignet, vom Dialog abzulenken - oder war das Gesprochene etwa so belanglos, dass man dem Dialog gar nicht folgen musste?

Ein unterschwelliges, langsames Heranfahren auf die Personen hätte z.B. einen ganz anderen Effekt gehabt - aber doch bitte nicht dieses Umkreisen ...
Wenn ich hier statt Technik mal etwas hausgemachte Psychologie bemühen darf (um sie mit der Technik in Verbindung zu bringen):

Zu diesem Zeitpunkt sind drei Personen tot - die Söhne von Bosco aus der Anfangsszene.
Tukur ('richtiger' Name), der Kommissar, vermutet, dass Harloff (Filmname - Ulrich Matthes) etwas damit zu tun hat.
Er kennt ihn so gut aus gemeinsamen Jugendzeiten, dass er den falschen Namen errät, unter dem Harloff im Hotel eingecheckt hat.
Und so treffen sie nach dreissig Jahren wieder aufeinander: "Was war da mit den drei Toten am Bahnhof bei deiner Ankunft?" Sein alter Freund gibt sich ahnungslos und unschuldig.
Tukur möchte ihn zum Verhör aufs Präsidium mitnehmen, doch Harloff zeigt ihm einen bolivianischen Diplomatenpass, frisch ausgestellt, und schlägt vor, den schönen Tag draussen im Park zu verbringen statt in einem stickigen Verhörraum im Gegenüber 'eines Bamten mit Mundgeruch'.
Die Zwei sitzen im Grünen auf einer Parkbank, streng bewacht von der bewaffneten Einsatztruppe.
Das Gespräch dreht sich zunächst um die Vergangengenheit - was hat Harloff all die Jahre seit seiner unehrenhaften Entlassung aus der Polizeischule (es ging um Drogen) samt plötzlichem Verschwinden ohne Abschiedswort gemacht? Und wie geht es 'Mariposa', ihrer beider grosser Liebe?
Harloff gibt Auskunft.
Tukur bleibt reserviert, befragt ihn zu seiner Rückkehr nach Deutschland. Warum, nach all den Jahren? Und warum gerade hierhin, in den Einflussbereich von Ermittler Tukur? Die zwei Männer umkreisen sich - in betont gesitteter Form - wie zwei Boxer im Ring, die darauf lauern, den Anderen so abzulenken, dass es zum KO-Schlag reicht. Harloff setzt alles daran, die Atmosphäre zu entspannen und die Zweifel von Tukur zu zerstreuen - er lässt Kaffee servieren (er kennt die Vorlieben und Schwächen seines alten Freundes genau), aus eigenen Bohnen gebraut, die er zuvor extra dem Küchenchef übergeben hat. Und als Tukur trotz aller Skepsis endlich zur längst servierten Tasse Kaffee greift und zunächst zögerlich meint: 'gut' und dann: 'Himmel, ist der gut!', ist der Bann gebrochen. Gemeinsames Lachen, die Musik wechselt, die Kamera entschwebt, der Off-Kommentar setzt ein, der Original Kommentar wird stumm, aber die Bilder des Gesprächs bleiben. Kleines Detail: Das Wort 'Angeber' (Harloff bezahlt den Kaffee mit einer 200 Euro-Note ohne Rückgeld) im Kommentar fällt exakt mit dem unhörbaren 'Angeber' zusammen, das Tukur im Bild spricht. Man beginnt über die gemeinsamen, alten Zeiten zu plaudern, die Kamera kommt aus den Baumwipfeln zurück und bewegt sich leicht mit zur beschwingten Musik.
Der Off-Kommentar bleibt in der Schwebe: wechselt zwischen heiter und ernst, um schliesslich etwas rätselhaft auf Harloffs Abschiedsworte hinzuweisen: "Obwohl wir uns die ganzen Jahre nicht gesehen haben, hat uns doch die Vergangenheit nie getrennt!".

Zurück zur Technik:
So wie Tukurs Gedanken kreisen während des Gesprächs, so kreist auch sanft die Kamera. Und als der Bann der Skepsis durch den guten Kaffee gebrochen ist, bewegt sie sich leicht mit zur heiteren Musik.

Mich stört das nicht und lenkt mich auch nicht ab vom Dialog. Und ich frage mich, ob eine streng statische Kamera hier besser oder gar 'Pflicht' gewesen wäre? Für mich nicht.

Und noch ein Gedanke: Wenn es dieser Experimental-Tatort aufgrund der über die Jahre 'eingebrannten', und hier zu wenig berücksichtigten Seh- und Plot-Gewohnheiten des konservativen bzw. äusserst wählerischen, in Regionen aufgesplitteten Stammpublikums nicht zum Tatort-Klassiker schafft, dann besteht doch Hoffnung, dass er zum Besprechungs- und Analyse-Klassiker an den Filmschulen avanciert: Entweder als Beispiel, wie man's unorthodox auch machen könnte oder als Beispiel, wie man's - streng nach Krimi-Regel - keinesfalls machen darf.
Zuletzt geändert von Skeptiker am Di 21 Okt, 2014 00:25, insgesamt 1-mal geändert.



sottofellini
Beiträge: 454

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von sottofellini »

Uff...ist das ein Bezahlsender, welcher solch hochkarätig diskussionsschaffende Höhenflüge ausstrahlt?
Und zum Geier: Wie heisst dieser?



Skeptiker
Beiträge: 5874

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Skeptiker »

sottofellini hat geschrieben:... Und zum Geier: Wie heisst dieser?
Das kann nur der GEIER-Sender sein!



iasi
Beiträge: 24217

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von iasi »

Skeptiker hat geschrieben: Zurück zur Technik:
So wie Tukurs Gedanken kreisen während des Gesprächs, so kreist auch sanft die Kamera. Und als der Bann der Skepsis durch den guten Kaffee gebrochen ist, bewegt sie sich leicht mit zur heiteren Musik.

Mich stört das nicht und lenkt mich auch nicht ab vom Dialog. Und ich frage mich, ob eine streng statische Kamera hier besser oder gar 'Pflicht' gewesen wäre? Für mich nicht.

Und noch ein Gedanke: Wenn es dieser Experimental-Tatort aufgrund der über die Jahre 'eingebrannten', und hier zu wenig berücksichtigten Seh- und Plot-Gewohnheiten des konservativen bzw. äusserst wählerischen, in Regionen aufgesplitteten Stammpublikums nicht zum Tatort-Klassiker schafft, dann besteht doch Hoffnung, dass er zum Besprechungs- und Analyse-Klassiker an den Filmschulen avanciert: Entweder als Beispiel, wie man's unorthodox auch machen könnte oder als Beispiel, wie man's - streng nach Krimi-Regel - keinesfalls machen darf.
Es ist aber eben zuerst einmal die Wirkung auf den Zuschauer und seine Wahrnehmung, die zählt. Dies hatte Hitchcock z.B. immer im Blick.

"Experimental-Tatort" scheint mir etwas hoch gegriffen - dafür zitiert er mir dann doch etwas zu viel - da schwingt zu viel "machen wir´s wie" mit - aber immerhin hatten die Macher sich etwas weiter umgeschaut, als es im Tatort-Kosmos so üblich ist. Neu ist da nicht wirklich etwas.



Skeptiker
Beiträge: 5874

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Skeptiker »

iasi hat geschrieben:... Es ist aber eben zuerst einmal die Wirkung auf den Zuschauer und seine Wahrnehmung, die zählt. Dies hatte Hitchcock z.B. immer im Blick. ...
Das wäre der klassiche Suggestions-Tatort. Dies ist der neuartige Illusionsbruch-Tatort!
iasi hat geschrieben:... "Experimental-Tatort" scheint mir etwas hoch gegriffen - dafür zitiert er mir dann doch etwas zu viel - da schwingt zu viel "machen wir´s wie" mit ...
Ich habe keine Kommentare der Filmemacher zum Film gelesen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das abstreiten würden oder dass es nicht beabsichtigt gewesen wäre.
iasi hat geschrieben:... - aber immerhin hatten die Macher sich etwas weiter umgeschaut, als es im Tatort-Kosmos so üblich ist. Neu ist da nicht wirklich etwas.
Doch.


Vielleicht noch ein Wort zum Off-Kommentar:
Manche schätzen ihn, andere hassen ihn.

Ich schätze einen gut getexteten und gesprochenen Kommentar, der sich unaufdringlich in die Handlung integriert, wo's passt.
Kritiker meinen hingegen kategorisch: Die Bilder eines Films müssen stark genug sein, um die Geschichte ohne Kommentar zu erzählen.

Blade Runner gibt es mit (Kino) und ohne (DVD, von Regisseur Ridley Scott bevorzugt) Off-Kommentar von Harrison Fords Filmfigur.
Beide Versionen habe ihre Anhänger unter den Blade Runner Fans.

Ich habe es an anderer Stelle schon mal geschrieben: Einen einführenden Kommentar zu der Möglichkeit ausserirdischen Lebens hat Stanley Kubrick kurz vor Filmstart wieder aus seinem 2001 gestrichen.

Bei Magnum PI (mit Tom Selleck) würde ich den markanten Off-Kommentar vermissen: "Ich weiss, was Sie jetzt denken, und Sie haben recht: Erste Regel für Privatdetektive - Vergiss nie, den Kommentarton einzuschalten!"

Star Wars hat auch einen einführenden Kommentar, zwar nicht gesprochen, aber mit der legendären, schräggestellten Schrift versehen, die zu Fanfarenklängen recht zügig nach hinten ins dunkle Weltall verschwindet: "Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxie ..."

Star Trek kommt auch nicht ganz ohne einführende Worte aus: "Logbuch der Enterprise, Sternzeit 20-10.2014, Captain Kirk: Auf der Suche nach Wahrheitskristallen für das Elektronengehirn auf s'la-shC'AM-1 sind wir in eine Umlaufbahn um den Planeten T'at-O'rt-Tuk eingetreten. Die Auffindung dieser Kristalle gestaltet sich aufgrund starker Interferenz-Störungen allerdings schwieriger als erwartet. ..." /Cut.
Mr. Spock, wie weit sind wir noch vom Erkenntnis-Gebirge entfernt?

Und natürlich der unvergessene Klassiker:
"Hamburg, 17. Mai 1995, 18:15. Herbert Schmidt schliesst wie jeden Abend unter der Woche die Haupteingangstür seines kleinen Herrenbekleidungsgeschäfts an der Weiersbacherstrasse in Hamburg-Altona ab, um mit seinem im Hinterhof geparkten Auto, einem weissen VW Golf, und den Tageseinnahmen aus der Kasse noch zum nächstgelegenen Schliessfach zu fahren. Er ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass dieser Abend einen fatalen Verlauf nehmen wird ..."

Und so sass man dann erwartungs-starr vor dem Fernseher, biss sich auf die Fingernägel oder fuhr sich nervös durchs Haar: Die Spannung war einfach unerträglich, das Verhängnis vorprogrammiert.

Ede Zimmermanns Aktenzeichen XY ... ungelöst.

Ein Beispiel dafür, was ein Off-Kommentar bewirken kann ;-)



Axel
Beiträge: 16252

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Axel »

Skeptiker hat geschrieben:Zu früh geurteilt und damit ein Vor-Urteil!
Pfff! Meinst du, mir (oder irgend jemandem) vorschreiben zu können, wie lange er einen Film erdulden können muss, um zu die subjektive Auskunft zu geben:
Axel hat geschrieben:Ne, dieses Zeug konnte ich mir nicht lange reinziehen.
Der bullshittige Satz des nerdigen Entomologen im Film Das Schweigen der Lämmer: "Darf ich vorstellen? Acherontia styx!" - kommt so im Roman nicht vor, der wesentlich besser in Understatement ist. Dass er hier (quasi, das theatralische Wegziehen einer Möbeldecke) zitiert wird, wertete ich als schlechtes Zeichen. Aber nicht für das Schicksal irgendeiner zitierten Filmfigur, sondern für die originelle Entwicklung des Films.

Möglicherweise meinten Autor und Regisseur dies als überdeutliches Augenzwinkern, wie die - falls das in dem Stil weitergeht, wofür der Bahnhofs-Shootout ein Anzeichen ist - weiteren Zitate.

Für Freude am Wiedererkennen von Anspielungen muss man wohl der Typ sein. Ich selbst vertrete den Standpunkt, dass eine unverkennbare Anspielung vergleichbar ist mit jemandem, der einen Witz erzählt, bei der Pointe lacht und mir in die Seite knufft. Solche Typen schlagen mich in die Flucht, es gibt nichts Ärgeres. Man muss gar kein schlechter Regisseur sein, um so etwas zu machen. Selbst dem großen Ridley Scott ist es passiert (auf den beinhahe-Ben-Hur "Exodus" freue ich mich schon).

Beim Überfliegen des Threads fiel mir Tarantino ins Auge. Nun, es stimmt natürlich, dass Tarantino ein Kinonostalgiker ist, dessen Hauptmerkmal Genre-Hommagen sind. Auch die von mir verehrten Coen-Brüder lieben das. Warum mache ich da Ausnahmen? Ganz einfach, weil die ihre Vorbilder wesentlich besser verstanden haben als diese zu ihrer Zeit sich selbst. Es kommt nicht selten vor, dass die Fälschung besser ist als das Original.
Skeptiker hat geschrieben:Und natürlich der unvergessene Klassiker:
"Hamburg, 17. Mai 1995, 18:15. Herbert Schmidt schliesst wie jeden Abend unter der Woche die Haupteingangstür seines kleinen Herrenbekleidungsgeschäfts an der Weiersbacherstrasse in Hamburg-Altona ab, um mit seinem im Hinterhof geparkten Auto, einem weissen VW Golf, und den Tageseinnahmen aus der Kasse noch zum nächstgelegenen Schliessfach zu fahren. Er ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass dieser Abend einen fatalen Verlauf nehmen wird ..."

Und so sass man dann erwartungs-starr vor dem Fernseher, biss sich auf die Fingernägel oder fuhr sich nervös durchs Haar: Die Spannung war einfach unerträglich, das Verhängnis vorprogrammiert.

Ede Zimmermanns Aktenzeichen XY ... ungelöst.

Ein Beispiel dafür, was ein Off-Kommentar bewirken kann ;-)
Es war immer so, dass Herbert Schmidt (der echte Name) nochmal zu Holdgret Klötenberger, seiner langjährigen Angestellten, in einer nachgestellten Szene sagte: "Grüßen Sie Ihre Familie! Wir sehen uns dann morgen!" ... und wir, höhö!, wussten, dass es mit dem Wiedersehen Essig sein würde, warum hätte sonst der Off-Sprecher mit der autoritären Nachrichtensprecherstimme uns den Hinweis über seine sträfliche Ahnungslosigkeit geben sollen?

Ich weiß nicht mehr genau, wo diese deutsche TV-Geisteshaltung mal ganz gut analysiert wurde, möglicherweise war es Georg Seeßlens Buch "Natural Born Nazis". Mörderhatz der Feierabend-Spießer als das gelungenste Beispiel deutscher Unterhaltung.

Bei Aktenzeichen XY gruselte es mich tatsächlich als Kind. Parallel dazu gab's die Benimmfibel für Kinder, "Der Struwwelpeter", von dem ich eine Märchenplatte besaß:


Bekanntlich war Wilhelm Buschs "Max und Moritz" bereits eine Parodie auf diesen Kinderhorror, ein "Comic", der die spießigen Opfer der "bösen Kinder" so niederträchtig und rachsüchtig zeigt, wie sie es verdienten.

Es war wiederum Ridley Scott, der einen Mythos moderner Gruselliteratur suboptimal verfilmte: Hannibal. Das Buch erfindet mit seiner Hauptfigur das Genre praktisch wiederum neu, es ist ein großartiges Beispiel, dass sich Unterhaltung und handwerklicher Anspruch nicht ausschließen. Der Film dagegen war quasi ein Scary Movie, das Erbe des Maßstäbe setzenden Demme-Vorläufers musste anscheinend verwaltet werden.

Das Grauen, der Schmerz, der unsere Geburt (Tatort-Folgentitel) und, mehr oder weniger latent, unser ganzes Leben begleitet, könnte das Sub-Thema eines modernen Krimis sein. Kann es in unserer modernen Welt noch darum gehen, den schäbigen Bösewicht zu schnappen, den Unbotmäßigen, mit dessen Entfernung aus der Gesellschaft auch der XY-Konsument ruhig schlafen kann?

Die HBO-Serie True Detective (produziert von den beiden Hauptdarstellern, Woody Harrelson und Matthew McConaughey) sagt ganz klar: Nein. Die beiden Polizisten, die einen Serienmörder jagen, essen keine Donuts und haben auch keine Kabbeleien mit zickigen Bürokolleg/inn/en. Sie haben eine sehr düstere Sicht auf die Welt. Als in der ersten Folge der ebenso gewissenhafte wie verstörte McConaughey seinem Beifahrer Harrelson erklärt, wie er die Dinge sieht, antwortet dieser, sei still, sprich mit keinem Außenstehenden darüber, sowas will kein Mensch hören!


So sieht meines Erachtens der Maßstab aus. Pseudo-originelle Spielchen mit Jahrzehnte alten Filmzitaten sind m.E. eher peinlich.



iasi
Beiträge: 24217

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von iasi »

Skeptiker hat geschrieben:
iasi hat geschrieben:... Es ist aber eben zuerst einmal die Wirkung auf den Zuschauer und seine Wahrnehmung, die zählt. Dies hatte Hitchcock z.B. immer im Blick. ...
Das wäre der klassiche Suggestions-Tatort. Dies ist der neuartige Illusionsbruch-Tatort!
iasi hat geschrieben:... "Experimental-Tatort" scheint mir etwas hoch gegriffen - dafür zitiert er mir dann doch etwas zu viel - da schwingt zu viel "machen wir´s wie" mit ...
Ich habe keine Kommentare der Filmemacher zum Film gelesen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das abstreiten würden oder dass es nicht beabsichtigt gewesen wäre.
iasi hat geschrieben:... - aber immerhin hatten die Macher sich etwas weiter umgeschaut, als es im Tatort-Kosmos so üblich ist. Neu ist da nicht wirklich etwas.
Doch.
nein - denn was ist denn hier wirklich neu?
Ich kann jedenfalls nichts erkennen - denn alles kennt man schon aus anderen Filmen und Serien.



Skeptiker
Beiträge: 5874

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Skeptiker »

iasi hat geschrieben:
Skeptiker hat geschrieben:
iasi hat geschrieben:...
Neu ist da nicht wirklich etwas.
Doch.
nein - denn was ist denn hier wirklich neu?
Ich kann jedenfalls nichts erkennen - denn alles kennt man schon aus anderen Filmen und Serien.
Dass Tote aus einem Krimi wieder auferstehen, um ebendiesen Krimi live zu kommentieren, war für mich neu.
Falls es das schon gab, muss ich mir eingestehen: 'Du kennst Dich einfach zu wenig aus mit all den Serien und Filmen!'.
Axel hat geschrieben:
Skeptiker hat geschrieben:Zu früh geurteilt und damit ein Vor-Urteil!
Pfff! Meinst du, mir (oder irgend jemandem) vorschreiben zu können, wie lange er einen Film erdulden können muss, um zu die subjektive Auskunft zu geben.
Nein.
Denn dann würde ich meine eigenen Vorschriften nicht einhalten. Ich habe zuvor geschrieben, dass ich Dominik Grafs König-Ludwig-Krimi 'Die reichen Leichen' nach 20 Minuten abgeschaltet habe und begründet, warum.

Bei Dir war ich einfach erstaunt, als Du nach Statements zur Kameraführung und auch zum Off-Kommentar am Ende schriebst: "Diesen Tatort muss ich mir jetzt aber mal ansehen!".

Um bald darauf bereits zu schreiben:
"Ne, dieses Zeug konnte ich mir nicht lange reinziehen.".

Und noch einen draufzusetzen:
"Das Schweigen der Lämmer, Spiel mir das Lied vom Tod, schamlos abgekupfert. Lug und Trug, ..."

Ein deutliches Urteil. Und kein schmeichelhaftes.

Du machst Deine Ablehnung auch jetzt vor allem an den Filmzitaten fest:

"Möglicherweise meinten Autor und Regisseur dies als überdeutliches Augenzwinkern, wie die - falls das in dem Stil weitergeht, wofür der Bahnhofs-Shootout ein Anzeichen ist - weiteren Zitate."

Was ich bei meinem positiven Urteil nicht tue - ich habe die Filmzitate dabei kaum erwähnt.
Mein Eindruck ist, dass man diesen Tatort auch schätzen kann, ohne ein einziges Filmzitat wiederzufinden.
Die Geschichte steht auf eigenen Beinen und das - abseits aller Zitate und Reminszenzen - auf ungewohnte Weise.
Ich wage also die Behauptung, dass dieser Film mehr ist als eine Aneinanderreihung von Filmzitaten.

Du schreibst:
"Für Freude am Wiedererkennen von Anspielungen muss man wohl der Typ sein. Ich selbst vertrete den Standpunkt, dass eine unverkennbare Anspielung vergleichbar ist mit jemandem, der einen Witz erzählt, bei der Pointe lacht und mir in die Seite knufft. Solche Typen schlagen mich in die Flucht, es gibt nichts Ärgeres."

Das erstaunt mich etwas für jemanden, der selbst über ein profundes Filmwissen zu verfügen scheint und im Forum kaum einen Filmbeitrag verfasst, in dem nicht bekannte und manchmal weniger bekannte Regisseure und Werke zitiert werden.

Ich muss gestehen, dass ich da nicht mithalten kann. Diese umfassende Übersicht über das Filmschaffen fehlt mir - ich bin kein Filmhistoriker oder Cineast.

Sondern eher ein Dilettant - von italienisch dilettare = lieben, schätzen - also ein Filmliebhaber. Ich schätze die Filmkunst generell und einzelne Werke besonders, aber ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Mein Urteil basiert also auf einzelnen Stichproben, die ich mir dann nach Möglichkeit genau ansehe.

Im übrigen versuche ich bei meinem Urteil nach Kants Motto der Aufklärung vorzugehen, das da sagt: "Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!"
Das mag teils zu Vereinfachungen führen oder zu einer eingeschränkten Sicht, aber ich vermeide damit, mich selbst zu betrügen, mich mit allzu viel 'geborgter' Intelligenz auszustatten.

Du erwähnst die "HBO-Serie True Detective" und schreibst dazu am Ende "So sieht meines Erachtens der Maßstab aus. Pseudo-originelle Spielchen mit Jahrzehnte alten Filmzitaten sind m.E. eher peinlich.".

Ich kenne 'True Detective'' nicht - es mag toll sein - aber ich habe den Eindruck, dass man bei all diesen (amerikanischen) Serien jeweils ungeheuer bemüht ist, einen neuen Trend, einen neuen Stil, einen neuen Maßstab zu setzen. Und nicht selten gelingt das ja auch. Für eine gewisse Zeit. Bis schon bald ein noch aktuellerer Trend etabliert wird, der bei näherer Betrachtung vielleicht ein alter im neuen Gewand ist.

Das ist jetzt alles sehr allgemein formuliert und nicht von einem fundierten Serienkenner geschrieben - dazu fehlt mir schlicht die Zeit und auch die Lust.
Und wie oben schon angedeutet: Wenn mir ein Kinofilm zwei Stunden lang seine Sicht der Dinge in den Kopf zu drücken versucht, ist das hoffentlich gewollt, erträglich und vielleicht genüsslich. Eintauchen in andere Welten. Danach versuche ich, wieder eigene Gedanken zu denken.
Wenn eine Serie, der ich mich abolut freiwillig aussetze, mich mit multimedialem Dauer-'Bombardement' und allen psychologischen Tricks in einen permanenten Zustand der emotionalen und gedanklichen Sehnsucht zu versetzen versucht (so ähnlich, wie wenn ich bei McDonald's einen Burger verzehre und danach gleich den nächsten bestelle), dann werde ich etwas skeptisch. Und versuche die Balance zu halten zwischen 'sich berieseln lassen' und 'mal ein paar eigene Gedanken fassen'. Es gibt aber Phasen, wo ich das Eine deutlich bevorzuge und Phasen, wo ich mich fast ausschliesslich mit dem Anderen beschäftige. Beides hat seinen Reiz und vielleicht auch seine Notwendigkeit, im Idealfall 'befruchtet' das Eine das Andere.

Was hat das alles mit dem Tatort zu tun?

Dort geht's um um Kulissen und den Blick auf die Kulissen (nicht wirklich dahinter). Um Suggestion und Sichtbarmachen dieser Suggestion. Um Illusion und Bruch der Illusion.

Und das ist ein interessantes Thema!

Der Bösewicht spielt ein Spiel mit dem Kommissar. Und der Film spielt ein Spiel mit dem Zuschauer.
Darauf kann man sich einlassen oder eben nicht.



Axel
Beiträge: 16252

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Axel »

@Skeptiker

Du hast Recht. Wem's nicht liegt, der soll sich halt nicht großartig äußern. Dass ich selbst mich immer wieder zu wichtigtuerischen und weitschweifigen Filmbeschreibungen hinreißen lasse, heißt ironischerweise, dass ich im Plagiieren toller Ideen anderer quasi Experte bin. Was ich denk und tu, trau ich anderen zu. Meine Zustimmung zu iasis Punkten betrafen gar nicht diesen Tatort oder irgendwelche konkreten Beispiele daraus ...



Skeptiker
Beiträge: 5874

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Skeptiker »

Axel hat geschrieben:... Meine Zustimmung zu iasis Punkten betrafen gar nicht diesen Tatort oder irgendwelche konkreten Beispiele daraus ...
Das habe ich im nachhinein natürlich auch gemerkt.

Im übrigen lese ich Deine Filmbeiträge mit den vielen Querverweisen gerne. Und versuche jeweils, möglichst viel davon zu verstehen und wenn's geht, was dabei zu lernen ;-)



Yaso
Beiträge: 172

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Yaso »

Die Grundidee eines Western-Krimis in der Provinz fand ich für einen Tatort absolut solide. Nicht jede Geschichte eignet sich fürs Kino, man muss einfach das Beste aus dem Format machen. Hier spielt sich alles im Kleinen ab, in einer deutschen Gemeinde. Der perfekte Ort für ein Fernsehdrama.

Natürlich merkt man dem Film an, dass er lieber ein Western als ein Krimi wäre. Die Krimihandlung wirkt aufgesetzt.

Außerdem: Wer ist hier die Hauptfigur? Die einzelnen Versatzstücke finden nicht so recht zusammen, weil sie nicht durchdacht wirken. Murot trägt zum Beispiel gar keine Schuld. Wenn er tatsächlich Schuld auf sich geladen hätte, wäre der Film um einiges spannender geworden. Ein richtiger Schlagabtausch zwischen ihm und dem Gegner fand nicht statt - das wird nur behauptet. Ein kausaler Plot ist kaum vorhanden, die Figuren agieren nebeneinander her. Dabei werden die gröbsten Schnitzer vom Erzähler kaschiert. Murot trägt zu wenig zur Geschichte bei und am Ende wird ihm die Wahrheit auch noch vorenthalten.

Die Motivation für die theatralische Rahmung habe ich leider gar nicht verstanden, ich hoffe es ging nicht darum einfach nur die 90 Minuten zu füllen. Gegen Filmzitate habe ich persönlich nichts, aber sie sind mir nicht störend aufgefallen. Alles in allem ein mutiges, tolles Projekt. Hoffentlich gibt es in Zukunft ein neues Format, dass mit Krimis nichts mehr zu tun haben muss und in dem weitere Experimente möglich sind.



Skeptiker
Beiträge: 5874

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Skeptiker »

Yaso hat geschrieben:... Außerdem: Wer ist hier die Hauptfigur? ...
Der Bösling, Harloff!
Yaso hat geschrieben:... Murot trägt zu wenig zur Geschichte bei ...
Ich finde, er tut es auf unaufdringliche Weise doch.
Er ist persönlich mit dem 'Rächer mit Masterplan' verstrickt, kommt aber immer einen Schritt zu spät, um irgendetwas zu verhindern.
Er hat ein paar gute, 'unfreiwillig' selbstkomödiantische Szenen (das 'Date' zu Beginn, der missglückte Auftritt als Teamleiter der Sonderkommission).

Aber warum ich mich nochmals zum Thema melde, obwohl ich eigentlich nicht weiter darüber diksutieren möchte:

Ich bin da über ein Buch zum Thema 'Tatort' gestolpert, das bereits im ersten Jahresdrittel 2014 erschienen ist, von Wolfram Eilenberger verfasst wurde und den Titel trägt:
"Der Tatort und die Philosophie", Untertitel: "Schlauer werden mit der beliebtesten Fernsehserie".

Ich habe es nicht gelesen, aber hier gibt es als Leseprobe eine Inhaltsübersicht, das Vorwort des Autors und ein Probekapitel:
http://www.klett-cotta.de/media/14/9783608503272.pdf

Die Reaktionen auf des Buch sind eher durchwachsen, so restlos überzeugt von diesem Versuch scheint niemand gewesen zu sein.

Als Beispiele:

Rezension 1:
http://www.sueddeutsche.de/medien/essay ... -1.1931928

Rezension 2:
http://www.br.de/radio/bayern2/sendunge ... e-100.html

Rezension 3:
http://www.deutschlandradiokultur.de/fe ... _id=282300

Rezension 4:
http://www.welt.de/kultur/literarischew ... n-ich.html

Rezension 5:
http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/fern ... ier_id=509

Ob das also eher Geschwurbel oder anregendes Geschreibsel ist oder ob gar tief- und scharfsinnige philosophische Erkenntnis darin steckt, müsste jeder selbst herausfinden.

Aber ganz bestimmt kann man sich den Tatort auch ohne philosophisches Backup jeden Sonntag-Abend zu Gemüte führen (was ich nicht tue).

Das war's.



iasi
Beiträge: 24217

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von iasi »

Ich sehe die Gefahr, dass dieser Tatort zu hoch gehängt wird und wir nun eine Welle mit Bösewichten, die ihr Masterplänchen verfolgen, vorgesetzt bekommen.

Es ist ja nichts Neues, dass der Böse wichtiger ist, als der Held - an die wahren Größen aus den Reihen der Bösewichte reicht der Böse aus diesem Tatort mit seinem arg konstruierten Rachemotiv aber eben nicht heran.



Valentino
Beiträge: 4821

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Valentino »

Habe endlich auch Zeit gefunden den besagten Tatort zu sehen und hätte mir da schon etwas mehr erhofft.

Die Geschichte ist ganz gut, aber leider können die anderen Gewerke der Sache nicht ganz gerecht werden. Die Kameraarbeit inklusive Color-Grading und VFX wirken recht unbeholfen. In Verbindung mit den klassischen Stücken und den Off-Sprecher wirken die Bilder und Schauspieler noch weniger und erscheinen schon fast "lächerlich".
Da habe ich schon deutlich bessere Bildgestaltung beim Tatort gesehen.

Der Off-Text bzw. Sprecher unterstützt die Geschichte leider nicht immer und scheint mir eher Mängel bei den Dreharbeiten ausgleichen zu wollen.

Was es nicht Hitchcock der Off-Text als Unfähigkeit des Filmmischens Erzählen verspotte hat?
Dazu erscheinen mir sehr wenige eigene Idee in diesem Tatort zu stecken und man sich zu wenig auf die Geschichte selber konzentriert hat.

Im Vergleich mit dem was man aber gestern so aus Ludwigshafen "bewundern" durfte erscheint einem dieser Tatort recht erfrischend an.

Die ersten Tatorte mit Tukur hatten deutlich mehr Tiefgang als der jetzige.

Es ist auch immer wieder verwunderlich wie flach gute Schauspieler durch
die diversen Drehbücher wirken bzw. eben keinen Eindruck hinterlassen.
Hier ist Devid Striesow meiner Meinung einer der besten deutschen Schauspieler, so konnte man ihn zuletzt in "Zeit für Kannibalen" bewundern, zählt aber trotzdem zu den "schlechtesten" Neustarts beim Tatort.
Es gibt ein gutes und direktes Interview mit dem ehemaligen Schauspieler Gregor Weber (Saarbrücker Tatort).
http://youtu.be/C3Zt8Slk_cM?t=18m27s
Hier wird meiner Meinung ganz klar offengelegt das gerade die verantwortlichen Redakteure dem Autor und Regisseur bei der Verwirklichung und Umsetzten absichtlich Steine in den Weg legen und fast immer das letzte Wort haben. Leider sind nur sehr wenige dieser Redakteure jünger als 50 und bedienen sich dazu Erzählstruckturen, die ihr älteres Publikum ja nicht verschrecken. Ich wünsche mir für Deutsche Serienformate so genannten "Show-Runner" und/oder Creativ Producer, die für das hier und jetzt Geschichten erzählen.



Yaso
Beiträge: 172

Re: TATORT: Im Schmerz geboren - Endlich mal ein Meisterwerk?

Beitrag von Yaso »

Skeptiker hat geschrieben:
Yaso hat geschrieben:... Murot trägt zu wenig zur Geschichte bei ...
Ich finde, er tut es auf unaufdringliche Weise doch.
Er ist persönlich mit dem 'Rächer mit Masterplan' verstrickt, kommt aber immer einen Schritt zu spät, um irgendetwas zu verhindern.
Er hat ein paar gute, 'unfreiwillig' selbstkomödiantische Szenen (das 'Date' zu Beginn, der missglückte Auftritt als Teamleiter der Sonderkommission).
Fällt dir auf, dass deine Antwort nicht zu meiner Aussage passt? Ich habe geschrieben, dass Murot zu wenig zur Geschichte beiträgt. Du erwiderst, er tue es "doch". Zu wenig ist zu wenig, da gibt es kein doch. Außerdem: Wie kann jemand "auf unaufdringliche Weise" ausreichend zu einer Geschichte beitragen?

Im Actionkrimi braucht es einen Schlagabtausch zwischen zwei Schwergewichten, wie in einem Boxkampf. Vergleiche z.B. HEAT mit Al Pacino und Robert DeNiro -- das ist das gleiche Genre.

Klar, Murot kommt immer zu spät. Er kann nichts verhindern. Es gibt nämlich keinen Schlagabtausch. Am Spannendsten wird der Kampf zwischen Polizist und Verbrecher, wenn beide Figuren gleich stark sind. Bei IM SCHMERZ GEBOREN haben wir einen Übermächtigen und einen Halbstarken.
Valentino hat geschrieben:Der Off-Text bzw. Sprecher unterstützt die Geschichte leider nicht immer und scheint mir eher Mängel bei den Dreharbeiten ausgleichen zu wollen.
Das sehe ich genauso. Mir scheint ohnehin, dass man durch einige Tricks versucht hat, den Film auf die vollen 90 Minuten zu bringen.



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